- Kucki 232
Folge 107 - Der hartnäckige Junge

Zweite Herbstwoche: Dienstag
Geburtstag: keiner
Event/Feiertag: keiner
Erzähler/in: Aurelie
Hmpf. Und wieder aufstehen, Und wieder und wieder. Dann das ganze Gerede von dieser blöden Magie und Kucki anhören. Bäh. Ich erlebe einfach nichts. Genau deswegen habe ich meine Bücher. Es klingt doof, aber meine Bücher verstehen mich. Ich tauche ab und bin in einer Welt, wie ich sie mir vorstelle. Nur eben mit dem Geschriebenen. Aber die Umgebung habe ich gestaltet.

Ich möchte einfach nur eine normale Teenagerin sein, die duschen geht.

Die was isst und sich auf den Tag freut.

Die sich einfach normal wäscht, wie jeder andere auch.

Und die eben einfach nur Aurelie sein möchte.

Deswegen rede ich auch nicht wirklich viel. Was soll ich denn erzählen? Ja, wir sind irgendwo eine normale Familie und es darf ja auch keiner erfahren, mit der Magie und so. Aber ich weiß es. Und genau das ist das Problem.
„Mam? Ist es okay, wenn ich nach der Schule noch etwas in die Bibliothek gehe?“

Aber erstmal gehe ich wie eine normale Teenagerin in die Schule. Ich habe da schon ein paar Freundinnen, so ist es nicht. In der Schule fühle ich mich wohler. Ich gehöre dazu. Wenn ich nicht gerade lese. Aber zuhause? Fehlanzeige.

*****
Ich habe so gelacht, in der Schule. Heute war alles mal anders. So gelacht habe ich noch nie. Normal sitze ich ja irgendwo und lese Bücher. Ich weiß - spannend. Aber, nein. Hihi. Heute fühlte es sich so an, als würde ich leben. Wie soll ich das beschreiben?
Also geht es jetzt erstmal wieder in die Bibliothek, bevor es zurück in dieses Gruselhaus geht. Das ist doch total bescheuert, dass Mam zaubern kann. Ich will das Zepter nicht und das mache ich auch ständig klar.

Huch? Ich wusste gar nicht, dass meine Cousine hier arbeitet. Bei uns ist sie im Moment nicht gern gesehen. Mam ist total sauer.

„Hey, seit wann arbeitest du denn hier? Ich bin jetzt fast jeden Tag hier, aber dich habe ich hier noch nie gesehen, hihi.“

„Seit heute. Aber du. Ich habe keine Zeit. Viel zu tun.“
Hmpf. Ich hoffe ja trotzdem, dass sich irgendwann die Wogen glätten. Fiona hat immerhin ihre Eltern verloren und Mam ist total sauer. Kann ich verstehen, aber irgendwann ist doch auch mal gut.

Also lasse ich sie allein und schaue mal, was sie hier so für Bücher haben. In Willow Creek bin ich erst seit ein paar Wochen am Lesen. Sonst bin ich ja immer in Copperdale. Aber die bekommen da irgendwie keine neuen Bücher rein in letzter Zeit. Kenne ich alles schon.

Cool. Das kenne ich hier noch nicht. Mal schauen. Schnulze. Wunderbar.

Aber es ist irgendwie total bescheuert geschrieben. So lieblos. Man kann gar nicht eintauchen. Belanglos. Hm.

Ne, das ist doof. Bla bla. Ja, es gibt halt auch doofe Schriftsteller. Dann bemerke ich diesen Typen, den ich in Copperdale getroffen hatte. Was will der denn hier? Hmpf. Jetzt kann ich eh nicht mehr lesen. Dann gehe ich halt. Der quatscht bestimmt gleich wieder jemanden voll.

„Was guckst du so? Hast du nichts zu tun?“

„Hey, ich möchte nur am PC was gucken, ja?“

„Dann mach das. Ich geh’ dann mal. Tschüss.“
Aber eines muss ich sagen: Er ist süß. Aber keine Ahnung. Ich kenne ihn nicht. Aber er scheint eh viel älter zu sein. Er arbeitet hier bestimmt oder so. Oder überhaupt in der Bibliothek. Keine Ahnung. Interessiert mich eigentlich auch nicht. Warum mache ich mir da jetzt Gedanken drum?
Äh. Er wollte doch eben am PC was gucken. Was wird das denn jetzt?

Bis ich dann stehenbleibe und er dann auch.
„Sag mal. Was wird das? Verfolgst du mich? Hör auf.“

„Mir hat man gesagt, dass du öfter hier bist und ich wollte mich für letztens entschuldigen.“

„Äh. Das ist mir sowas von egal. Du bist mir auf den Keks gegangen und ich bin gegangen. Und? Da braucht man doch kein Fass aufmachen.“

„Was hast du für ein Problem damit, wenn man sich bei dir entschuldigen möchte? Bist du etwa so nachtragend?“
„Wie bitte?“

„Wie bitte? Ich bin doch nicht nachtragend. Wie kommst du da jetzt drauf?“

Dann rede ich leiser.
„Ich bin nicht nachtragend.“

„Hör zu. Darf ich dich zu 'nem Kakao einladen? Was meinst du? Und ich quatsch’ dann auch nicht so viel. Nur ein Kakao.“

Moment mal. Soll das ein Date werden? Hat der mich das echt gerade gefragt? Ich hab den doch voll zur Sau gemacht. Hat er sich ja auch verdient. In einer Bibliothek hat man sich halt leise zu verhalten.
„Äh. Ich weiß nicht mal deinen Namen.“

„Ich deinen auch nicht, aber ich würde mich freuen, wenn ich das ändern kann. Ich weiß halt nur, dass die Bibliothek dein zweites Zuhause ist.“

„Nun ja. Ich. Ähm. Ja, hihi. Also. Ja. Ähm. Ich bin Aurelie und nun ja.“

„Damon. Also. Hast du Lust?“

Jetzt muss ich ihn mir doch mal genauer anschauen und höre schon gar nicht mehr, was er sabbelt, hihi. Hat er mich eben echt gefragt, wegen 'nem Kakao? Wow. Also in der Schule ignorieren mich die Jungs eigentlich immer.

„Also. Kann ich sie haben? Dann können wir uns ja mal treffen. Also nur, wenn du willst. Wenn ich gehen soll, dann mache ich das. Okay, du bist eigentlich schon gegangen und ich bin hinterher, aber hey. Eine Chance. Nur ein Kakao.“
„Äh, du willst was haben?“

„Äh, deine Telefonnummer?“
Dieser Typ macht mich gerade fertig. Also jetzt weiß ich langsam nicht mehr, was ich machen soll. Puh. Äh. Nun ja. Ich. Ich versuche ruhig zu bleiben und dann muss ich ihn doch nochmal angucken und dann - grinst er noch so?! Boah.

„Ähm, meine Telefonnummer? Warum?“
Ne Moment. Die Frage ist doch doof. Ich Schussel. Damit er mich anrufen kann wegen des Dates? Aber ich kenne ihn doch gar nicht. Puh.

„Ich muss gehen.“
Schnell weg hier.

Was?! Er kommt mir hinterher? Warum? Aber ich muss doch irgendwie langsam schmunzeln. Die Aktion ist ja mal irgendwie total süß, hihi. Passiert mir auch nicht alle Tage, dass mir ein Junge hinterherrennt. Der Tag scheint doch noch interessant zu werden. Hm. Soll ich ihm echt meine Telefonnummer geben? Nachher ist das nur eine Mutprobe oder so. Wie viele Weiber bekomme ich in einer Woche rum? Da war letztens wieder so ein Fall. Da möchte ich nicht mit reingezogen werden.

Ich drehe mich wieder um und Damon bleibt ebenfalls abrupt stehen.

„Okay, okay. Hier hast du meine Nummer, okay? Ich sag’ sie dir.“
Wow. Dieses Lächeln da gerade.

„Cool. Mehr wollte ich nicht. Kann ich dich dann anrufen? Hey, mir ist das wirklich wichtig. Wollte nicht, dass du letztens so ausrastest. Echt nicht.“

„Ähm. Ich habe das doch schon wieder vergessen. Schwamm drüber. Also? Noch irgendwas? Ich möchte nämlich langsam nach Hause. Es wird kalt.“

Was guckt er denn jetzt so? Will der mich verarschen? Puh. Ich gehe einfach. Er muss ja nicht wissen, dass ich ihm nicht meine Nummer gegeben habe. Nö. Auch wenn die Aktion irgendwo gerade süß ist, aber ich sage ja: Nachher ist das so ein Ding oder so. Ne ne. Da mache ich nicht mit.

Also gehe ich weiter.
„Hey, komm schon. Ich meine es doch nicht böse oder so. Du bist wirklich nachtragend. Das ist unfair.“
„Äh nö. Bin ich gar nicht. Ich muss dann los. Bis dann.“
Ganz ehrlich? Hihi.

Ich bemerke, wie Damon einfach weiter hinterherkommt. Er folgt mir doch wirklich bis nach Hause. Puh. Aber ich bin am Überlegen, doch dann irgendwo anders hinzugehen. Mist. Aber zu spät. Ich hab nicht nachgedacht. Also bleibe ich an der Pforte stehen und überlege, dass das hier gar nicht mein Zuhause ist. Mache ich das so.
„Boah. Was willst du? Langsam nervst du.“
Nein, ich lasse ihn zappeln. So einfach kann man mich auch nicht abschleppen. Wo kommen wir dahin? Rot werde ich trotzdem langsam und nervös. Weil hey. Wem passiert es denn schon mal, dass ein Junge einem hinterherläuft?
„Deine richtige Nummer?“
Wie bitte? Wie hat er das bemerkt? Verdammt.

„Ich ähm. Ich. Hmpf. Nein, ich muss jetzt nach Hause. Sorry. Vielleicht sehen wir uns in der Bibliothek dann nochmal. Ich kenne dich doch gar nicht und gebe bestimmt nicht so einfach Nummern raus.“
„Na ja. Wo du wohnst, weiß ich ja jetzt.“
„Hm? Nein. Ich wohne hier nicht. Wie kommst du darauf?“
„Aurelie? Kommst du dann langsam rein? Wir wollen essen. Was stehst du da draußen rum? Es wird kalt.“
„Äh. Mam. Ich. Hmpf. Ja gleich.“
„Also?“
Boah, dieses Lächeln da gerade. Man. Damon ist wirklich sehr hartnäckig. Eine witzige Art, sich zu entschuldigen.

Also gebe ich ihm meine Nummer und diesmal geht er auch sicher, dass er die Richtige hat, bevor er geht. Ich schaue Damon noch eine Weile hinterher, bevor ich happy reingehe. So eine süße Aktion, hihi.