top of page
  • Kucki 232

Folge 13 - Höhen und Tiefen


 

Ich verbringe den ganzen Nachmittag in meinem Zimmer und möchte heute weder Melody noch Shadow sehen. Wir haben so viel für die beiden getan und wollten ihnen ein besseres Leben möglich machen, aber mittlerweile ist mir egal, was mit ihnen passiert. Sowas Blödes ist mir echt noch nie untergekommen. Andere Dinge sind mir wichtiger geworden.

Nur an eine Sache habe ich nicht gedacht: Die Zimmertür abzuschließen. Wundert mich, dass sie noch heile ist, so wie ich sie vorhin zugeknallt habe. Oh, nein. Melody wagt es doch echt in mein Zimmer zu kommen und mich vollzuquatschen? Hau ab, blöde Kuh, denke ich nur.

„Bist du jetzt etwa eingeschnappt, weil ich einen Freund habe? Geht's noch? Ich dachte, du freust dich für mich?“

Sie redet und redet und ich bin ja schuld bla bla. Boah. Natürlich zerreißt das gerade mein Herz noch umso mehr, aber vielleicht ist es besser, doch einen Schlussstrich zu ziehen. Ich kann das einfach nicht mehr. Die Schule ist mir wichtiger und bald auch das Praktikum bei Paps. Da habe ich keine Zeit für diese zickigen Mädels. Ich muss mich auf andere Dinge konzentrieren.

„Was?! Du bist doch echt eingeschnappt. Joel, du bist so kindisch. Mein Freund ist nicht so. Wir haben uns sogar schon geküsst. Er ist immer für mich da und zugleich ist er auch mein bester Freund geworden. Wir haben uns noch nie gestritten.“

Checkt sie absolut nicht, was sie mir damit gerade antut?

Wie doof kann man sein, so zu reden? Wie blind kann man sein? Ich weiß nicht warum, aber je mehr sie labert, desto mehr bin ich davon überzeugt, dass ich sie gleich ganz schnell rausschmeiße, um endlich meine Ruhe zu haben. Warum war ich nur so naiv zu glauben, mit ihr eine Beziehung führen zu können?

„Du tust gerade so, als wenn ich die Böse wäre. Ich habe doch immer versucht, dir zu zeigen, wie sehr ich dich liebe und du hast es immer abgeblockt. Das war fies von dir.“

Gleich ist es so weit. Gleich schiebe ich sie nicht nur raus, sondern ich schmeiße sie raus. So richtig mit Arschtritt und dann soll sie glücklich werden. Mit ihr noch ein Wort wechseln? Niemals. Pfff. Wer hat denn hier immer alles versucht? Wer war immer freundlich und zuvorkommend und einfach nur für sie da? Und sie blockte jedes Mal ab. Ich werde diese Frau nie verstehen und das will ich langsam auch nicht mehr. Es ist mir egal.

„Ja, cool. Dann verpiss dich doch, wenn du da eh mit einem anderen rumnuckelst. Dann brauche ich mich ja nicht mehr drum bemühen und kann mich um wichtigere Dinge kümmern.“

Der musste jetzt einfach sein. In mir steigt gerade alles Mögliche auf. Hass, Verletzung, Liebe und Wut. Alles gebündelt.

„Tschüss. Geh´einfach, okay? Hau ab.“

Langsam ist nämlich eigentlich sie, die stinksauer wird, weil sie wohl mit einer ganz anderen Reaktion gerechnet hat. Normal kam ich dann immer angekrochen und habe mich bei ihr entschuldigt. Dieses Mal ist es anders. Endgültig. Also stehe ich auf und versuche mir nichts anmerken zu lassen. Ein Grinsen versuche ich zu entlocken.

Bis sie sich plötzlich zu mir umdreht und es dann ordentlich wissen will.

„Du Blödmann. Und du willst mein bester Freund sein? Nichts bist du. Und weißt du was? Ich war überhaupt nie in dich verliebt, weil du langweilig bist. So richtig langweilig. In der Therapie ist das anders. Mein Freund ist immer bei mir und du hast mich immer nur angepöbelt.“

Ich kenne Melody jetzt seit ein paar Jahren. Als Paps die Zwillinge zu uns geholt hatte, ist es noch gar nicht so lange her. Paps meinte damals nur, dass er zwei Kindern half, die in Not waren. Das war es. Er erledigte viel Papierkram und irgendwann haben er und Mam die Pflegeschaft bekommen. Das Haus war jedoch noch zu voll und als dann ein Teil meiner Geschwister ausgezogen war, haben wir die beiden dann aufgenommen. Doch danach war irgendwie alles anders. Es fühlte sich täglich immer mehr so an, als würde ich Melody auf den Geist gehen, obwohl ich sie immer nur beschützen und für sie da sein wollte.

„Alles klar. Du machst mir also gerade klar, dass ich mich um dich nicht mehr bemühen brauche und du dir jetzt einfach so Dinge zusammenreimst, die gar nicht stimmen? Ich habe keine Ahnung, was mit dir falschläuft, aber es ist mir mittlerweile egal. Hau´einfach ab und nimm Shadow gleich mit.“

Doch dann kommt irgendwie alles hoch.

„Ich habe dich geliebt, okay? Ich habe jeden Tag gehofft, dass ich dich mal in den Arm nehmen kann. Küssen kann. Einfach eine Beziehung führen und jedes Mal, wenn ich dir näher kam, hast du abgeblockt. Und du erzählst mir gerade, dass ich an allem Schuld bin? Ach ja? Ich hab´dich so geliebt, aber du zerstörst einfach gerade alles.“

Mich zum Heulen zu bringen, ist echt schon eine Kunst. Aber Melody hat es gerade erfolgreich geschafft.

Die Wut steigt wieder in mir hoch.

„So, und nun geh mir aus den Augen. Wenn ich dich noch eine Minute sehen muss, dann kotz ich dir gleich vor die Füße. Geh.“

Es ist ja nicht nur, dass mich die Situation hier gerade total fertigmacht, es ist auch, weil heute eh schon so ein mieser Tag war. Und dann behält meine kleine Schwester auch noch recht. Melody würde mir nicht guttun. Sie hat sowas von recht.

„VERSCHWINDE!!!“

Wie eingeschnappt sie ihre Nase in die Luft hält und arrogant das Zimmer verlässt. Ohne auch nur mit einer Wimper zu zucken. Ich hoffe, ich sehe sie endlich zum letzten Mal.

Hau bloß ab.

Mam eilt zu mir, aber ich kann im Moment nicht reden. Ich brauche erstmal frische Luft und ich hoffe, dass die Zwillinge dann endgültig weg sind. Sollen sie doch zu ihrem blöden Strand und sich da eine Strohhütte bauen. Mir doch egal.

Ich schnappe mir Jingles und drehe mit ihm eine Runde. Noch widerlicher kann es heute einfach nicht werden.

„Bääääh. Ich hasse Mädchen. Komplizierte Geschöpfe. Ich werde nie wieder ein Mädchen anschauen. Nie wieder. Machen nur Probleme. Selbst in der Schule. Ich hasse Mädchen. Blöden Kühe. Meinst du nicht auch, Jingles?“

„Wuff.“

Wenigstens er versteht mich.

Als ich mich einigermaßen beruhigt habe, gehe ich mit Jingles zurück. Es ist eh gerade wieder richtig heiß. Da geht man ja kaputt. Im Esszimmer versuche ich tief ein- und auszuatmen. Melody einfach vergessen. Denn die Zwillinge scheinen wirklich weg zu sein. Mam kommt zu mir.

Man sieht schon richtig, dass Mam schwanger ist. Wow. Da sind doch bestimmt Fünflinge drin. So weit ist sie eigentlich noch gar nicht. Aber es ist schon witzig, noch ein kleines Geschwisterkind zu bekommen. Das lenkt mich bestimmt dann auch nochmal ab.

„Kann ich kurz mit dir sprechen? Marc und ich haben uns gerade über die Zwillinge ausgesprochen.“

„Klar.“

„Wir haben das Jugendamt angerufen und gesagt, dass wir uns um die beiden nicht mehr kümmern können, da es hier häufiger zu Streit kommt und so. Die Dame am Telefon meinte auch, dass es sowieso schon eine Wucht war, dass wir es so lange mit ihnen ausgehalten haben. Sie scheinen nicht nur hier so einen Aufstand zu machen. Das Amt wird sie jetzt suchen und wieder bei sich aufnehmen. Wir können nichts mehr tun.“

„Oh, echt? Cool. Dann kann ich ja endlich wieder nachts in Ruhe schlafen. Mam, ich habe es echt versucht und Melody hat mir so viel bedeutet. Ich habe sie geliebt, okay?“

„Ich weiß. Deswegen ist es auch besser so.“

„Komm mal her. Wir gehen kurz raus. Du kannst mir kurz helfen, einen Korb reinzutragen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich Fünflinge bekomme. Das kann doch nicht sein.“

„Klar, Mam.“

Ich habe kurz wieder etwas Hoffnung. Irgendwie fühle ich mich auch gerade, als wäre eine riesen Last von mir gefallen. Habe ich vielleicht nur geglaubt, Melody geliebt zu haben? Bin ich eigentlich nur froh, dass sie nicht mehr da ist? Der Gedanke wäre schon krass.

„Und jetzt komm´mal her, mein Sohn. Ich hab´dich lieb und wir werden das schon schaukeln. Was in der Schule passiert ist, habe ich auch schon mitbekommen. Aurelie hat mich vorhin angerufen. Sie möchte mit dir reden. Es tut ihr leid, so streng gewesen zu sein. Aber sie mag dich als Bruder und jedes Mal bist du ihr ausgewichen und warst nur für Melody da. Bekommt das bitte wieder hin.“

„Ja.“

Langsam kann ich doch wieder etwas lachen, da ich bemerke, wo meine wahre Liebe sitzt, wenn man das so sagen kann. Die Liebe zur Familie ist einfach stärker und wir haben so einen Zusammenhalt bei uns. Durch die Zwillinge ist unsere Familie nur fast zerstört worden. Aurelie fühlt sich so wohl in Henford und möchte dort gern bleiben. Trotzdem kann ich mich mal in Ruhe mit ihr unterhalten. Das gibt mir schon einen kleinen Lichtblick.

„Ja, cool. Dann bis morgen in der Schule. Dann reden wir.“

Die Familie ist zwar sehr geschrumpft, aber trotzdem sollte uns das nicht davon abhalten, eine großartige Familie zu bleiben. Jeder hat im Moment so sein Ding zu tragen und zusammen werden wir das schon irgendwie schaukeln. Immerhin ist bald Sommerfest und vielleicht kommen ja meine anderen Geschwister. So wie in alten Zeiten.

„Nur kümmer dich jetzt bitte um deine Noten, okay? Übermorgen tanzt du auch pünktlich bei mir um 8 Uhr im Büro an. Wir haben viel zu tun.“

Nachdem Madleen fast beim Essen zusammenbricht, beschließt auch sie erstmal für sich, zu Joshua zu ziehen. Sie braucht einfach im Moment was anderes und so hat sie es dann auch nicht mehr so weit zur Schule. Es ist zwar schade, aber sie möchte es so. Henford ist halt eine schöne Wohlfühloase, wo man einfach seine Ruhe hat. Da kann ich sie schon verstehen. Meine Eltern stimmen auch zu. Es ist ihnen nur wichtig, dass sie sich regelmäßig meldet. Aber so kommen wir alle mal ein bisschen zur Ruhe.

Denn, wir müssen uns auf den kleinen Fratz vorbereiten. Da wird es auch noch allerhand Spaß mit geben. Und ich bin vorbereitet. Mam darf einfach so einen Stress nicht erleben.

Und so erleben wir noch ein friedliches Beisammensein in Copperdale. Es muss jetzt einfach besser werden.


0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page