- Kucki 232
Folge 18 - Gedanken einer Mam

Erste Frühlingswoche: Montag
Geburtstag: keiner
Event/Feiertag: keiner
Erzähler/in: Emily
Als ich aufstehe, überlege ich mir, wer wohl weniger geschlafen hat: Ich oder Joshua? Mein kleiner Junge geht heute bis Samstag auf Reisen und es fühlt sich qualvoll an. Ich muss ständig daran denken, dass ihm was passiert. Als ich Marc aber da so stehen sehe, verfliegen meine Sorgen für kurze Zeit. „Morgen, mein süßer Blondschopf“, sage ich.

Marc ist mit mir aufgestanden, damit wir Joshua beide verabschieden können und falls er noch Hilfe braucht, sind wir gleich zur Stelle. Ich versuche aber cool zu bleiben und lasse mir nicht anmerken, dass mir der Abschied sehr wehtut. Also ab in die Küche und Frühstück machen.

Denn hier gibt es direkt die geballte Ladung Emilio.
„Mam, ich möchte nicht in die Schule, weil die mich da immer noch ärgern werden und ich sie hasse und einfach nur hasse, verstehst du?“, meckert der Kleine ordentlich los.

„Du hast Niklas an deiner Seite. Ja, es gibt viele Scherben aufzuheben, aber das werdet ihr schon packen. Und ansonsten sagt ihr uns Bescheid und wir regeln das“, sage ich und hoffe, dass ich ihn so etwas beruhigen kann.
„Ja, Mam. Du hast recht. Und wenn, dann soll es mir doch egal sein. Ich bin ja nicht allein. Bruder-Power. Und wenn dann nachher Joshua wiederkommt, dann gibt es dreifache Bruder-Power. Das klingt klasse. Und wenn nachher die anderen in der Schule sind, dann haben wir sechsfache Geschwisterpower. Das klingt gut, hihi.“

„Siehst du? Alles geklärt.“ Ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn es in der Schule langsam etwas ruhiger werden würde. Auf Dauer kann man sich das echt nicht antun.
Aber jetzt heißt es erstmal für uns Abschied nehmen. Ich kann meine Tränen kaum aufhalten. Da verlässt er gleich diese Tür und geht einfach so. Wenn ihm was passiert, dann bekommt der Leiter ordentlich Ärger. Immerhin laufen da ja Bären rum.
Wir gehen in den Flur, wo Joshua seine ganzen Sachen zurechtgestellt hat. Der Bus kommt bald, der ihn abholt.

„Pass aber auf, dass du nicht von Bären gefressen wirst und sieh zu, dass du immer was isst und immer saubere Sachen trägst. Das ist wichtig. Und ruf mich bitte alle 10 Minuten an, ob alles in Ordnung ist, ja?“
„Äh“, sagt mein Sohn nur.

„Mam, mir wird schon nichts passieren. Mich werden auch keine Bären fressen, hihi. Ich bin groß. Ich komme klar.“
Ich kann einfach nicht mehr meine Tränen halten. Er ist so ewig lange weg. Und dann ist es ja immer so dunkel draußen und noch total kalt. Nicht, dass er nachher noch erfriert.

Marc schaut mich nur sehr sparsam an. Aber es ist doch so. Macht er sich denn keine Sorgen?
Wir hören den Bus, der unten an der Einfahrt hupt. Es ist soweit. Der große Abschied naht. Mein süßer Blondschopf knuddelt ihn nochmal ordentlich durch und wünscht ihm viel Spaß. Na, er sieht das ja wirklich locker.

Auch ich verabschiede mich von meinem kleinen Stinker.
„Ich habe dir noch ein paar Brote gemacht und Karotten mit beigelegt. Außerdem habe ich deine Zahnbürste noch eingepackt, da du sie fast vergessen hättest. Und damit dir immer schön warm an den Füßen ist, habe ich dir diese coolen Heizsocken mit reingelegt.“
„Mam? Geht es dir gut?“
„Ja, hihi.“
„Ich bin doch bald wieder da und ich werde mich heute Abend melden. Versprochen.“
Ich nehme Joshua in den Arm und lasse ihn nicht mehr los. Marc muss grinsen und sagt nur:
„Hey, er muss trotzdem los. Du tust so, als wäre er bis zu unserem Rentenalter weg.“

Marc nimmt meine Hand und versucht mich zu trösten. Ich schaue dem Jungen nur hinterher, wie er seine Sachen nimmt und von dannen zieht. Tja, mit der Reaktion hat Marc wohl nicht gerechnet. Aber ich bin halt Mam. Und Mams machen sowas. Wusste ich eigentlich bis gestern nicht, aber es fühlt sich mies an.

Als die Tür zugeht, heule ich so richtig los. Marc nimmt mich in den Arm.
„Alles gut? Wow. Dich nimmt das ja gerade so richtig mit. Aber ich verspreche dir, dass deine Laune nachher besser werden wird, okay?“
„Das bezweifle ich.“
„Ich gebe dir mein Ehrenwort.“

Unser Sohn ist weg und er macht sich noch so lustig darüber oder was? Was soll meine Laune denn bitte wieder anheben? Niemals. Samstag vielleicht, aber vorher werde ich keine ruhige Minute mehr schlafen.
Meine anderen Großen gehen in die Schule. Hoffentlich läuft da alles gut. Ich versorge die Kleinsten, aber meine Gedanken kreisen immer um Joshua. Hoffentlich hat er nichts vergessen und hoffentlich verdirbt er sich nicht den Magen. Das wäre schlimm. Es ging ihm immer gut bei uns. Ich räume nebenbei auf.

Schließlich lenke ich mich unten ab und versorge die Tiere. Wir wollen hier gleich etwas umbauen. Jetzt ist es Frühling und da wird es Zeit, dass sich hier wieder was tut. Trotzdem muss noch so einiges gemacht werden. Aber erstmal Eier sammeln und so. Ach, menno. Nicht, dass er mich gleich anruft, weil er Heimweh hat. Irgendwie wäre das ja niedlich.

Einige Zeit verbringt Marc unten mit den Leuten von Sven, um draußen eine Spielecke für die Kids aufzubauen. Es ist sehr gut geworden und die Kids belagern ihre neue Spielwiese sofort. Wenigstens ihnen geht es gut. Ich könnte schon wieder heulen. Ich hoffe, Joshua hat genug Socken mit. So in der Natur braucht man bestimmt viele Socken.

Ich drehe bald durch. Ich schaue mir ein paar Simtube-Videos an und bringe mir das Stricken bei. Es soll ganz entspannt sein, wenn man denn irgendwann den Dreh raushat. Also stricke ich einfach. Ich hätte nie im Leben gedacht, dass ich sowas mal machen würde. Warum eigentlich? Das sollte mich gerade lieber niemand fragen, hihi.

Es wird langsam etwas frisch und ich gehe mit den Kids nach oben. Marc ist aktuell in der Kanzlei und kommt heute Abend aber wieder. Na toll. Lasst mich mal alle allein mit meinem Kummer. Ich komme schon klar.
Ich schaue, ob Joshua schon geschrieben hat, aber nein. Noch nichts. Herrje. Nicht, dass ihm was passiert ist.

Alles klar. Ganz ruhig bleiben, Emily. Ganz ruhig. Oje. Und was ist, wenn es ein Bär war? Psst. Alles gut. Tief durchatmen.
Es kommt etwas Ablenkung ins Haus, da Tanya uns besucht. Sie fragt direkt, ob Marc da wäre, aber das muss ich verneinen. „Gut, ich warte. Kein Problem. Aber was ist denn mit dir los, Emily? Du bist ja total aufgelöst“, stellt sie fest. „Ich? Nein. Alles gut“. Ich möchte mir nichts anmerken lassen. Nachher bin ich nicht normal oder sowas.

Wow. Doch schon 15 Uhr. Emilio und Niklas kommen aus der Schule und sogar noch an einem Stück. Wunderbar. Die beiden setzen sich sofort zusammen und machen Hausaufgaben. Es scheint ja alles gelaufen zu sein. Trotzdem frage ich einmal nach.
„Wie lief es denn heute bei euch? Alles gut?“

Niklas sagt: „Es lief einigermaßen. Die anderen Kinder haben nicht verstanden, warum ich plötzlich hinter Emilio stehe. Ich wäre feige. Meine Freunde wollen jetzt nichts mehr von mir wissen.“
„Passt aber bitte dort auf, okay?“, sage ich vorsichtig. Man weiß ja nie, was die anderen jetzt hinter deren Rücken planen.
Schließlich wandern meine Gedanken wieder zu Joshua. Puh, es wird immerhin bald dunkel. Tanya kümmert sich um die Kids, während ich die Küche aufräume. Eigentlich hat mir Joshua ja immer ein bisschen geholfen. Hier fehlt dann plötzlich doch etwas.

Bis Marc schließlich nach Hause kommt. Er verpieselt sich noch kurz mit seiner Mam. Was hecken die beiden denn bitte aus? Sie flüstern und tuscheln und schauen mich immer an. Tanya muss grinsen. Dann schauen sie sich wieder so ernst an. Ich verstehe nichts. Verdammt. Schließlich nimmt Marc seine Mam in den Arm und beide fordern mich auf, sich hinzusetzen. Wir versammeln uns also um Esszimmer. Beide schauen mich total ernst an. Huch? Was ist denn nun kaputt? Bis mein Mann fast platzt vor lauter Neuigkeit: „Wir fahren in der zweiten Sommerwoche in den Urlaub. Ich habe es dir doch versprochen. Leider ging es nicht eher und es ist sowieso besser, wenn die kleinen Stinker bis dahin schon größer sind. Was sagst du?“
„Äh.“

Auch Emilio wird hellhörig: „Urlaub? Wirklich? Können wir dann an den Strand? Ich möchte den ganzen Tag schwimmen und sowas. Das wäre richtig cool. Geht das?“

Tanya meint jedoch, dass es nach Selvadorada gehen würde, da sie dort einen Bekannten hat, der Ferienwohnungen vermietet. Aber, wow. Urlaub? Echt? Ich. Das wäre richtig toll und ich fange an, mich zu freuen. Marc und Tanya haben also die ganze Zeit etwas organisiert, nur damit wir in den Urlaub fahren können? Ich war noch nie in Selvadorada und das wird bestimmt interessant und. Ach, ich freu’ mich so. Endlich mal raus hier.
Marc möchte fix duschen, aber bevor er geht, möchte ich ihm zeigen, wie sehr ich mich freue. Urlaub, hihi. Juhu. Urlaub. Ich glaube es nicht. Selbst Niklas und Emilio sind richtig aus dem Häuschen. Ich schnappe mir Marc und küsse ihn gaaaanz dolle.

Ein bisschen zu dolle, hihi.

Tanya muss grinsen und die Jungs finden den Anblick gerade nicht so prall. Mir egal. Ich freu’ mich halt so. Sie und Marc sehen, wie einverstanden wir mit dem Urlaub sind und Tanya geht nach Hause, um ihren Bekannten anzurufen. Wie lange wir dort bleiben, wissen wir aber noch nicht. Aber das planen wir dann in Ruhe.
Erstmal versucht Marc zu duschen, hihi. Nichts da. Er kann sich nicht davonschleichen. Ich komme höchstens von hinten angeschlichen und flüster ihm ins Ohr: „Sicher, dass du allein duschen möchtest?“
„Äh.“

Und schwuppsi unter die Dusche, hihi. Kinder kann ich ja nun wirklich keine mehr bekommen. Ein guter Arzt hat den Vorgang damals vorgenommen und seitdem ist auch nicht wirklich wieder was passiert. Ich liebe Marc halt und da muss er dann manchmal durch, wenn ich mit ihm duschen möchte.

Ich mache es mir auf dem Sofa gemütlich und das Telefon klingelt. Es ist Joshua. Alles ist bei ihm in Ordnung, was mich sehr freut. Ich erzähle ihm vom Urlaub. Er freut sich schon richtig. Der Junge hat in der nächsten Zeit ganz schön was zu tun. Aber genau das ist seine Welt.

Wir schauen noch gemütlich mit den Kids einen Film, bevor wir uns alle verpieseln. Marc und ich haben noch ordentlich Spaß bei einer Kissenschlacht. Ich bin so happy.

Marc ist einfach ein Goldschatz und wenn er was sagt, dann hält er es auch. Er sagt, dass wir in den Urlaub fahren und das werden wir bald. Und bis dahin bauen wir unser Haus weiter auf.
Ich liebe diesen Blondschopf sehr.
