- Kucki 232
Folge 41 - Im falschen Film

Als gestern Katharina so bei mir war und ich sie in den Arm genommen hatte, habe ich mich sehr wohl gefühlt. Es war irgendwie was besonders und dann dieses Knistern dazu. Einfach schön. Ich hoffe, das Gefühl werde ich nie verlieren. Ganz anders, wie damals bei Melody und .... Auuuutsch. Verdammt. Ich sollte mich auf das Rasieren konzentrieren.

Sei es drum. Ich kann mich wieder sehenlassen und irgendwo freue ich mich ein wenig, dass das Praktikum doch frühzeitig beendet wird. Nicht, dass ich es jetzt nicht cool fand, mit Paps on Tour zu sein. Nein. Ich möchte in Katharinas Nähe sein.

So, aber jetzt erstmal was essen. Habe ich gestern Abend ganz vergessen. War irgendwie total durch den Wind. Und ...... Hmm?! Ich gehe durch den Flur und höre Mam und Paps laut reden.
„Ach, ja? Emily, nein. Jetzt hörst du mir mal zu!“
Was zum Geier geht da ab?

Streiten die beiden etwa? Ich pirsche mich etwas weiter an und versuche, das Gespräch mitzuhören.
„Ja, wir haben eine Leiche gesehen, aber das heißt noch lange nicht, dass wir in Gefahr sind. Ich lasse das nicht zu, okay?“

„Der Fall, wie an der Tankstelle, hat doch auch überhaupt gar nichts damit zu tun. Mir ist nicht mal was passiert und ich kannte diesen Typen doch nicht mal. Du übertreibst ganz schön, weißt du das?“

„Ach, ja? Es ist ja noch nicht mal das. Was ist das überhaupt noch für eine Beziehung? Ich habe mich damals so eingesperrt gefühlt und jetzt, wo ich wieder arbeite, geht es mir richtig gut und hey. Ich arbeite gern jeden Tag. Es macht Spaß. Was machen wir denn großartig noch, hmm? Du küsst mich ja nicht mal mehr. Hauptsache, deine Fälle werden gelöst, was?“

„Du bist langweilig geworden. Wundert mich, dass wir überhaupt sieben Kinder zustande bekommen haben.“
Ich habe gerade das Gefühl, dass ich in einem total falschen Film bin. Mam und Paps streiten sich wirklich. Das haben sie so noch nie wirklich gemacht. Und plötzlich geht es richtig laut her. Ich kann kaum glauben, was ich da höre. Tränen kullern langsam meine Wange runter.

„Deswegen werde ich erstmal zu einem Kollegen ziehen. Ich brauche erstmal Abstand und Michelle nehme ich mit. Jeden Tag immer so eine Angst zu haben, dass dir was passiert und dann irgendwie das Gefühl zu haben, dass du mich überhaupt gar nicht mehr liebst. Nein. Das muss ich erstmal verarbeiten. Ich nehme Michelle mit!“
„Hörst du dich gerade reden, Emily? Was erzählst du da für einen Schwachsinn? Natürlich liebe ich dich.“
Paps versucht gerade verzweifelt, Ruhe zu bewahren.

„Das ändert trotzdem nichts an meiner Entscheidung. Hast du dir mal überlegt, warum Madleen und Aurelie nicht wieder zurückgekommen sind? Hast du das? Sie haben Angst, okay? Manchmal habe ich das Gefühl, du ziehst die Gewalttätigen förmlich an. Wer weiß, was Jimmy wirklich ist, hmm? Hast du gesehen, wie er aussieht? Vielleicht ist es gar nicht dein Bruder, sondern nur so ein Betrüger.“

Mam steht plötzlich auf und reißt den Stuhl weg.
„Es reicht mir. Ich ziehe mich an und wecke Michelle. Dann bin ich weg.“
Sie will doch jetzt nicht wirklich gehen? Seit Mam arbeitet, hat sie sich etwas verändert. Das ist mir selbst schon aufgefallen. Sie arbeitet sehr lang. Meist haut sie schon um 7 ab und kommt um 21 Uhr wieder nach Hause. Sie redet nicht mal mehr so wirklich mit uns. Sagt nur, dass sie müde sei.

„Nein, Moment Emily! Was wird das jetzt?“
Paps steht auf und versucht sie aufzuhalten.
„Was habe ich dir getan, hmm? Deine Arbeit steigt dir wohl etwas zu sehr zu Kopf, was? Ich habe alles für dich getan und bin sogar für dich nach Willow Creek gezogen. Und dann soll ich dich nicht mehr küssen? Manchmal habe ich das Gefühl, du hast einen anderen. Du bist immer länger weggeblieben. Meinst du, das bemerke ich nicht? Und Michelle nimmst du nirgendwo mit hin. Ich glaube, ich kümmere mich weitaus mehr um sie, als du es je getan hast. Du arbeitest ja lieber den ganzen Tag. Ach, und du willst zu einem Kollegen? Ist er das vielleicht? Hmm?!“
„Was redest du da? Wie, ähm. Wie kommst du da denn jetzt drauf?“
Mam wird plötzlich leiser.

„Hihi, Marc. Hörst du dich jetzt mal reden? Wow. Ist doch meine Sache, ob ich länger auf der Arbeit bleibe oder nicht. Viel zu tun eben. Dich schert es doch auch immer 'nen Dreck.“

Und schließlich wird Paps so richtig sauer. Hat Mam wirklich einen anderen? Boah. Das wäre so krass. Kann einer diesen Film bitte nochmal zurückspulen? Geht das? Der geht doch bestimmt ganz anders.
„Nein, Emily. Du setzt dich jetzt hierhin und sagst mir die Wahrheit. Sofort! Wir sind 20 Jahre zusammen und du ziehst zu einem Kollegen?“

„Du hörst mir jetzt mal zu. Ich liebe dich verdammt nochmal und du weißt ganz genau, dass ich euch beschützen möchte und ihr keine Angst haben braucht. Ich habe nur langsam das Gefühl, dass das nur eine faule Ausrede ist. Was ist mit dir passiert, Emily? Rede mit mir. Und sagt mir verdammt nochmal die Wahrheit.“

Aber jetzt reicht es mir. Ich muss da jetzt rein. Das halte ich nicht mehr aus. Ich versuche auch cool zu bleiben. Als hätte ich nichts mitbekommen und so. Mam verstellt auch sofort ihre Stimme, als ich reinkomme.
„Marc? Ich bin doch nur für ein paar Tage weg. Geschäftsreise. Immerhin habe ich dann gute Aufstiegsmöglichkeiten.“

„Immerhin möchte ich nur das Beste für meine Familie. Da gehört auch langes Arbeiten mit dazu.“

„Mam? Du willst uns nicht verlassen, oder? Du bleibst doch hier, oder?“
Während ich das sage, muss ich mich ganz schön zusammenreißen. Ich darf jetzt nicht zeigen, dass ich alles mitbekommen habe. Vielleicht war das die falsche Frage und jetzt weiß sie es. Ich bin total durcheinander.

„Ähm. Ich. Nur für kurze Zeit. Ich. Äh. Ich muss auf Geschäftsreise und dann bin ich schon wieder da, hihi.“
Paps sitzt nur da und sagt nichts. Und dass Mam lügt, weiß ich. Boah. Sie lügt mich voll an. Warum kann sie jetzt nicht ehrlich sein?

Schließlich steht sie auf und verschwindet im Badezimmer.
„Paps? Sie kommt doch wieder, oder?“

Etwas später steht Paps wie erstarrt im Flur. Mam hat sich eine kleine Tasche mit Sachen gepackt und jetzt merke ich, dass es ernst ist. Von wegen Geschäftsreise. Sie will Paps verlassen. Uns verlassen. Warum? Mann, ey. Aber vielleicht wird sich alles klären. Ganz bestimmt. Morgen kommt sie wieder.
Mam schaut uns beiden an und ihr Blick ist nicht gerade der beste. Selbst ich kann gerade nichts machen. Was passiert hier überhaupt?

Bis sie dann schließlich lächelnd auf mich zukommt und mich in den Arm nehmen möchte.
„Hey, mein Junge. Das ist doch nur für ein paar Tage. Ich komme wieder. Versprochen.“
Aber so richtig kann ich das nicht glauben und erwidere die Umarmung nicht.

„Okay. Dann nicht. Wie dem auch sei. Bis bald.“
Sie küsst nicht mal Paps. Geht einfach.

Wir schauen ihr an der Tür noch hinterher. Sie dreht sich nicht mal um.

Und Paps bricht plötzlich in Tränen aus.
„Sie wird mich verlassen, Joel. Sie wird nicht wiederkommen. Warum?“

Doch ich kenne Mam. Sie braucht vielleicht nur ein paar Tage Auszeit. Ganz bestimmt. Ich nehme Paps in den Arm.
„Sie wird wiederkommen. Und dann sprecht euch bitte aus. Bitte.“

Nur: Ob ich recht behalte, weiß ich gerade selbst noch nicht.