- Kucki 232
Folge 43 - Es ist nicht alles schwarz und grau

Dieser Tag will heute einfach kein Ende nehmen. Michelle ist jetzt im Bett und Paps sagt seitdem kein Wort mehr. Es ist traurig, ihn so zu sehen. Bald werde ich Mam auch mal anrufen und fragen, was der Mist soll. Was ist nur mit Mam los? Auf jeden Fall möchte ich Paps nicht mehr von der Seite weichen. Auch wenn wir dabei nur einen blöden Fernseher anglotzen, der dazu noch aus ist.

Hm. Irgendwas muss doch zu machen sein?

Bis ich eine grandiose Idee habe. Paps wollte doch renovieren? Warum machen wir das jetzt nicht einfach? Klingt zwar etwas doof, aber so kommt er auch auf andere Gedanken. Wenn er sieht, dass es hier trotzdem weitergeht.
Also verpiesel’ ich mich ins Esszimmer und frage meine großen Geschwister, ob sie nicht Zeit haben. Niklas geht nicht ran, doch Emilio und Joshi haben Zeit. Cool. Nachdem ich ihnen erzählt habe, was passiert ist, lassen sie alles stehen und liegen und kommen vorbei.

Während Paps wenigstens schon mal den An-Schalter des Fernsehers gefunden hat.

Und da mein Praktikum noch nicht ganz zu Ende ist, schaue ich, was Paps heute für Termine hat. Ich rufe alle an, zu denen er noch hin müsste oder anrufen sollte.
„Ja, guten Tag. Ich bin Joel Duvan. Mein Vater kann seinen Termin heute leider nicht wahrnehmen. Er ruft Sie aber zurück.“
Was mir besonders Gänsehaut bereitet ist, dass alle vollstes Verständnis haben und sie auch warten können. Er ist nun mal der beste Detektiv, meinen viele. Wow.

Nachdem ich alles erledigt habe, räume ich noch etwas auf. Mal schauen, ob ich das Ruder heute noch etwas rumreißen kann.
Am Nachmittag trudeln Joshi und Emilio schließlich bei uns ein.
„Ich musste Max mitnehmen. Alina muss arbeiten, aber ich denke, das ist okay, oder? Was ist denn passiert? Was soll das von Mam? So war sie doch noch nie drauf? Wie geht es Paps? Braucht ihr Hilfe? Wenn ja, dann meldet euch. Ich bin da.“
Es folgt eine feste Umarmung.

„Was habt ihr hier heute überhaupt für komisches Wetter? Im Wetterbericht heißt es, dass es heute erst sehr heiß wird und dann schneit. Ob Paps seine Laune dafür verantwortlich ist? Das wäre ein echtes Naturwunder.“
Emilio kommt auf uns zu. Er sieht auch sehr geknickt aus. Natürlich. Wer das jetzt gerade nicht ist, der mag Paps auch nicht. Und Paps nicht mögen? Hmm.

„Alter, ey. Was geht mit Mam? Spinnt die? Die soll mal bei mir vorbeikommen und dann erzähle ich ihr mal ein paar Takte. Paps tut und macht und die haut einfach ab.“

Das ist ja auch das, was ich nicht verstehe. Mam und Paps waren unzertrennlich. Na ja. Sind. Sie haben sich beide untereinander unterstützt, wo es nur ging. Während Paps sich um die Kleine gekümmert und Essen gemacht hat, hat Mam sich eben um den Garten gekümmert. Sie sind ein Team. Eins. So viele Dinge verstehe ich gerade noch nicht.
Wir gehen ins Wohnzimmer und versuchen aber nicht zu viel zu erwähnen. Immerhin wollen wir unseren Vater heute etwas ablenken, so gut wir können.
„Alter, ey. Ihr habt ja hier voll noch gar nichts gemacht. Dachte, das Haus wäre schon fertig? Muss ich wohl mal mit anpacken, wah?“

Trotzdem muss ich mit meinen Brüdern mal kurz rausgehen. Paps nimmt derweil seinen kleinen Enkel in den Arm und freut sich schon mal, dass er hier ist. Das ist doch schon mal schön.
„Also, hört zu. Ich habe so das Gefühl, dass Mam wirklich einen anderen hat. Es spricht so viel dafür. Seit sie den Job hat, ist sie total anders. Manchmal war ihr sogar alles egal, was wir machen.“

„Ey, wenn die ......!“
Emilio wechselt aber schnell das Thema, als er Paps durch die Tür kommen sieht.
„Jo, dann würde ich mal sagen, packen wir es an, was? Wäre doch geil hier so 'ne coole Terrasse oder so. Ich find´ sowas geil. Wie in alten Zeiten.

„Okay, cool. Machen wir. Können ja eben zum Baumarkt fahren und mal schauen, was wir schönes finden.“
„Ey, nein, bleib´ du hier. Joshi und ich schmeißen das schon. Er ist doch so 'nen Einrichtprofi. Paps hat so viel für uns getan. Ich denke, jetzt müssen wir mal wieder was gutmachen. Ohne Scheiß. Geht voll klar.“
Und schließlich nimmt alles seinen Lauf. Mein ältester Bruder hat einen recht großen Wagen, wo ordentlich was reinpasst. Er ist immer noch total der Naturfreak. Irgendwo muss er seine Ausrüstung ja unterbekommen, sagt er ständig.
Sie kommen auch mit vielen Blumen zurück und Parkettboden. Puh. Also so hatte ich mir das jetzt eigentlich nicht vorgestellt. Ich wollte eigentlich nur ein bisschen pinseln, haha.
Kurz kommen wir auf andere Gedanken.



Ich finde das toll, dass die beiden hier sind. Paps ist auch die ganze Zeit in unserer Nähe, aber schaut uns nur erstarrt hinterher. Ich hoffe trotzdem, dass er sich zumindest irgendwo dadrin trotzdem ein bisschen freut.
Joshi beschließt noch kurz, einen neuen Tisch zu holen. Passend dazu Stühle und ein bisschen Deko. Klar. Blumen müssen sein, sagt er.
Und Emilio versucht sein Bestes, um irgendwie bei Paps durchzukommen.
„Ey, ich find´ das voll geil, was ihr hier gezaubert haben. Voll die schöne Ecke habt ihr hier. Ich komme öfter rum und wenn Naomi Zeit hat, dann kommt sie auch mit. Und ähm ....“

Paps schaut nur nach unten und wir sehen, dass Tränen kullern. Er sagt absolut nichts und das stimmt uns sehr traurig. Ich habe etwas Angst vor heute Nacht. Wenn er allein im Schlafzimmer ist. Da bleibe ich aber wachsam. Mir egal.
„Hey, du kommst jetzt erstmal her. Wir sind für dich da und vielleicht hat Mam ja nur ihre Tage oder so. Kann mir nicht vorstellen, dass sie so einen coolen Paps wie dich verlassen würde. Ey, wie dumm muss die sein? Alter.“

Meine Brüder sind richtig in ihrem Element und das, was bei rauskommt, kann sich richtig sehen lassen.

Mittlerweile ist auch das Wetter umgeschlagen. Es ist milder geworden und fängt an zu regnen. Ob es wirklich heute noch schneit? Wäre echt crazy.
Wir haben dann auch genug für heute und sitzen noch gemütlich zusammen.
„Egal, mit was eure Mutter jetzt noch ankommt: Ich werde nicht zulassen, dass sie unsere Familie zerstört. Nicht nach all diesen Jahren.“
Das kommt wie aus einer Kanone geschossen. Wir schauen ihn an und sind sehr überrascht über die Worte.

Danach schweigt er wieder und beobachtet nur, was wir sagen. Da müssen wir ganz schön aufpassen, dass nichts Falsches rauskommt. Das wissen wir.
„Äh. Ich habe gestern wieder seltene Käfer entdeckt. Diese findet man immer im Kiefernwald.“
„Alter. Was macht eigentlich deine Freundin? Kennt Joshi die überhaupt schon? Musst ihm die mal vorstellen. Voll das hübsche Ding.“

Okay, das waren wohl die falschen Worte, denn Paps verpieselt sich nach unten.
„Man. Tut mir leid. Hab nicht nachgedacht. War halt neugierig.“

Katharina weiß auch schon Bescheid. So hat sie sich vorgenommen, am Nachmittag zu uns zu kommen. Sie kennt meine Familie zwar noch nicht so richtig, aber Paps hat sie fasziniert. Sie sagte mir mal, dass sie meine Mam irgendwie komisch findet. Bislang hatte sie nicht mal richtig mit ihr geredet. Nur Paps.

Mir tut eh alles weh und so ist Katharina eine willkommene Abwechslung. Ja, es ist gerade etwas doof, wenn jetzt meine Freundin da ist, aber sie denkt sich da nichts dabei. Warum auch?
„Hey, du. Es tut mir so leid. Als ich das gehört habe, bin ich total vom Glauben abgefallen. Manno. Ich hoffe, sie kommt wieder. Lass dich drücken.“

„Aber lass uns jetzt nicht übertreiben. Ich möchte das meinem Paps nicht antun. Wenn er uns dann so sieht und so, ist dann auch nicht nett. Verstehst du, was ich meine?“
„Ja, hihi. Wir wollten es doch eh langsam angehen lassen. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, wie ich finde.“
Während Katharina da so redet, beobachte ich sie einfach nur. Bis sie dann Worte lässt, die mich irgendwie total entzücken.
„Und wenn ihr Hilfe beim Babysitten braucht, dann mache ich das gern. Ich liebe Kinder und nach der Schule bin ich dann immer bei solchen kleinen Pupsern, hihi. Windel wechseln und Flasche geben - kein Problem. Gern gehe ich dann auch mit Michelle auf den Spielplatz. Oder wenn ihr so Hilfe braucht, dann bin ich da.“

„Okay.“
Mehr kommt gerade irgendwie nicht. Ich schaue ihr direkt in die Augen.


Wie wunderbar sich die Liebe doch anfühlt. Also, so richtig verliebt zu sein. Nicht einfach nur zu denken, man ist verliebt. Ich gebe ihr einen Kuss auf die Wange.
„Langsam angehen lassen.“

Und Joshi lernt sie dann auch mal kennen. Ich könnte Emilio immer noch dafür knutschen, dass er mir einen Ruck gegeben hatte letztens. Ich wäre nie mit diesem wunderbaren Mädchen ins Café gegangen.
„Das ist übrigens mein großer Bruder Joshua. Er ist so ein Naturfreak. Also wenn du irgendwas über Schmetterlinge und Co wissen möchtest, dann bist du bei ihm richtig.“

„Hast du denn jetzt eigentlich vor, dir einen Bauernhof zu holen? Dann könnten wir ja bei dir mal Urlaub machen. Wäre doch toll.“

Und dann bin ich noch entzückter von Katharina als vorhin noch.
„Ich finde die Natur interessant. Ich male gern Bilder. Irgendwo, mitten in der Natur. Wasserfälle sind toll. Ich kann mir gut vorstellen, dass es in Henford schön ist zu wohnen. Da wollte ich auch immer hin. So viele Tiere, die man da entdecken kann. Total schön. Ich glaube, dein Bruder und ich werden uns gut verstehen, hihi.“

„Ich habe mal versucht, eine Schildkröte auf einem Stein zu malen, aber das ist mir nie gelungen. Plötzlich war nur noch der Stein da, hihi.“
Ich muss gestehen, dass es mir richtig Spaß machen wird, dieses wunderbare Mädchen kennenzulernen. Hätte nie gedacht, dass sie die Natur so liebt. Wow.
Durch das Babyphon höre ich Michelle und schaue mal nach. Sie hat heute viel geschlafen, was aber auch besser ist. Ich mache sie fertig und gehe mit ihr nach draußen.
Katharina lächelt mich nur an. Ich schmelze.

Was dann aber noch schön ist, ist, dass Paps sich dann doch wieder zu uns gesellt. Ohne zwar ein Wort zu sagen, aber er ist da.
Joshi und Emilio sind nur bereits schon los. Es ist ja auch schon 19 Uhr durch. Toll, dass sie heute so mit angepackt haben. Meine anderen Geschwister haben sich nämlich bislang noch nicht gemeldet.

Katharina bleibt auch noch recht lange hier. Wir schauen uns einfach nur an. Die ganze Zeit. Ob ich vielleicht mal mit ihr zu einem Wasserfall fahren soll? So mit Radtour und Picknick. Das würde selbst ich irgendwie noch cool finden.
Ich möchte Michelle bettfertig machen, doch Paps nimmt sie mir ab.
„Ich mach´ schon. Du hast heute genug getan.“
Bei diesen Worten kommen selbst mir schon die Tränen.

Später zeige ich Katharina noch mein Zimmer und wir unterhalten uns so noch ein bisschen. Wir freuen uns beide schon sehr, ab Montag wieder Schule zu haben. Tja. Und dann schauen wir uns einfach nur wieder so an.

„Du, ich muss jetzt aber langsam los. Nicht das meine Eltern noch eine Vermisstenanzeige aufgeben. Und wenn was ist, dann sag Bescheid. Du bist echt süß, hihi. Und ja, wir lassen es langsam angehen.“
Ich spüre ihren warmen Atem und die Lippen auf meiner Wange. Elektroschock. Wow.

Das war heute der turbulenteste Tag in meinem ganzen Leben. Ich bin froh, dass er vorbei ist. Doch mir fehlt auch Mam. Es ist so still hier. Keiner mehr da. Ich muss an die Zeit denken, wo wir noch zu acht waren. Heute sind wir drei. Deswegen:
„Egal, was kommt, Paps. Ich bin da und helfe dir, wo ich kann. Und wenn du mich heute Nacht wecken musst. Mir egal. Du bist der beste Paps überhaupt. Den lasse ich nicht im Stich. Emilio und Joshi auch nicht.“
