- Kucki 232
Folge 46 - Hast du oder hast du nicht?

Irgendwo tat es mir ja gut, bei Alex zu sein, aber ich kann Joel und Michelle jetzt nicht einfach so allein lassen. Mein Sohn tut schon genug. Da will ich mich nicht vor meinen Kindern verstecken.
Alex und ich sind vieles durchgegangen, denn in einer Hinsicht sind wir uns einig: Warum passiert plötzlich so viel auf einmal? Warum jetzt? Jimmy wird umgebracht und kurz darauf verlässt mich meine Frau? Ich bin froh, dass ich diesen einen guten Freund habe. Nein, besten Freund.
Trotzdem muss ich jetzt erstmal wieder in dieses Haus. So viele Erinnerungen. Ich verstehe immer noch nichts.

Es ist zwei Uhr nachts und mir fällt nichts Besseres ein, als Spaghetti Carbonara zu essen. Bin ich echt so verzweifelt?

Wie dem auch sei: Ich muss das jetzt echt mal sagen:
„Es ist doch alles scheiße.“
Trotzdem finde ich ein bisschen Trost bei dem Gedanken, dass mir irgendjemand etwas will. Dann können wir ihn festnehmen und alles ist wieder gut. Klingt aber irgendwie zu einfach, oder?

Also gehe ich das realistischere Szenario durch: Heulen, was das Zeug hält.

Tag Drei ohne Emily bricht an. Es ist mittlerweile Vormittag und ich habe gar nicht mitbekommen, dass es überhaupt hell wurde. Und dann wollte ich doch früh aufstehen und mich um alles kümmern. Verdammt! Nichts ist. Alles musste Joel wieder machen. Er hat hier sogar aufgeräumt.

Ich bin ihm so dankbar. Michelle versteht ja nicht mal, was hier passiert. Was soll ich ihr denn irgendwann mal erzählen? Dein Paps wurde fertiggemacht und deine Mam ist mit einem anderen ins Bett gestiegen? Boah. Niemals.
„Hey, Süße. Das ist aber meins. Meins, haha.“

Erstmal gehe ich mein Handy durch. War mir eigentlich alles total egal, was die Leute in den letzten Tagen von mir wollten. Von Aurelie, Madleen und Niklas habe ich immer noch nichts gehört. Warum eigentlich nicht? Sonst haben sie doch immer nachgefragt und es kam eigentlich bei allen an, was passiert ist. Ist da etwa auch was faul? Bitte nicht.

Es fühlt sich immer noch so an, als würde ich durch einen dunklen Tunnel irren. Bekomme nichts mit, was außerhalb dieses Tunnels passiert. Renne irgendwo rein, wo ich das Gefühl habe, dass ich eigentlich stehenbleiben sollte. Am besten wieder umdrehen. Nicht dahin. Aber ich gehe einfach weiter.
Joel hat selbst das Wohnzimmer umgeräumt. Wenigstens kann ich einmal ganz kurz schmunzeln. Er und Pflanzen? Hm. Ob Joshi seine Finger mit im Spiel hatte?

Trotzdem muss der Tag dann auch irgendwie überstanden werden. Ich starre in den Spiegel und sehe einen einsamen Mann, der vor zwei Wochen noch klare Ziele vor Augen hatte.

Und jetzt ist der Fernseher mein bester Freund.

Ich bemerke erst gar nicht, dass sich Joel neben mich gesetzt hat. Da muss ich mich dann doch ganz schön erschrecken und zucke ordentlich zusammen, als er mich da so anspricht. Wo kommt er denn gerade her?
„Paps? Ich möchte, dass du Mam heute anrufst und mit ihr redest. Und wenn du das nicht machst, dann mache ich das. Ich halte das einfach nicht mehr aus, okay?“

„Das kann doch nicht so schwer sein. Wie kleine Kinder. Oder soll ich da anrufen? Hmm?! Komm schon Paps. Mach irgendwas!“

Doch ich sage nichts. Was soll ich denn auch sagen? Dass die Frau verschwinden soll? Dass ich wütend bin? Dass ich sie hasse?

„Okay, alles klar. Du willst da nicht anrufen? Dann mache ich das. Hier und jetzt. Und du wirst nichts dagegen machen können.“
Das wird er jetzt doch nicht wirklich machen, oder?
„Gucke, Paps? Es klingelt durch. Ganz easy.“

Ich bin kurz davor, ihm dieses verblödete Handy aus der Hand zu reißen. Meine Hände ballen sich zu Fäusten und ich werde sauer. Doch bevor noch ein Unglück passiert, gehe ich in die Küche und bewundere dieses wunderbare Wetter. Genau auf mich zugeschnitten.

Unsere Wand ist auch richtig toll. Und sowas wollte ich mir mit Emily hier aufbauen. Mit unserer großen Familie. Wir alle gemeinsam.
Im Flur bekomme ich irgendwie und irgendwo Stimmen mit. Ganz weit weg. Zu weit. Als würde ich schlafen und jemand würde mit mir sprechen. Ich starre weiter an die Wand.

Bis ich dann langsam wieder zu mir komme. In die reale Welt zurückkomme. Ich bekomme mit, wie Joel Emily umarmt. Ist sie wirklich hier? Sie soll verschwinden. Einfach weg mit ihr. Das ist besser so.

Schließlich steht sie allein im Flur. In MEINEM Flur. Nicht mehr IHREM: Sie hat nun einen anderen Flur. Bei ihrem anderen Macker. Da soll sie wieder hin.

Sie wagt es doch wirklich zu mir zu kommen? Nimm deine Sachen und verschwinde. Hau ab!!!

Obwohl ich ja schon neugierig bin, was da passiert ist und warum überhaupt. Wenn sie wirklich manipuliert wurde, dann kann ich ihr das ja noch verzeihen. Aber sie hätte reden können. Mit mir reden können. Sie kann mit mir über alles reden. Haben wir immer so gemacht und sollte man doch auch, oder nicht?
Ich starre sie eine Weile an. Ja, sie wirkt sehr nervös. Na, hast du was zu verbergen? Sag schon. Pfff. Kannst es ruhig sagen. Und dann:
„Sei bitte ehrlich: Hast du einen anderen und bist mit dem in die Kiste gehüpft?“

„Ja, was willst du denn jetzt hören, hmm? Was soll ich dir denn sagen? Ich habe Mist gebaut und ich sehe es ein, okay?“

Moment. Und das haut sie mir gerade so trocken auf den Tisch? Also stimmt das? Mein Puls fängt schon wieder an zu rasen. Nein, ich versuche jetzt ruhig zu bleiben. Es ist eh zu spät.
„Also ja?“

„Komm schon, Emily! Du hast doch eh schon unsere Familie kaputtgemacht. Oder meinst du, ich bin doof? Ich brauche dir doch gar nicht diese Frage stellen, weil ich recht habe. Stimmt's?“

Ich könnte sogar gerade so richtig anfangen zu heulen. Sie schaut mich schon wieder so an. So gleichgültig. Als wäre ich nichts für sie. Kalt.
„Marc. Ich. Ja. Es stimmt.“
Und plötzlich kommt aus ihr alles eiskalt geschossen.
„Aber er hat mich immer in den Arm genommen. Hat mich geküsst und. Und. Er war so zärtlich und. Weißt du, wie oft ich mir sowas von dir gewünscht habe? Du musst mich verstehen.“

„20 Jahre hast du mich kaum berührt oder gar geküsst. Ich habe immer wieder gehofft, dass du einst aus dir rauskommen würdest und es nicht nur bei unseren Dusch-Szenen bleiben würde. Aber da wurde nie was draus. Als dann der Freund von meinem neuen Chef ankam und ihn mir vorgestellt hat, da .....“
„Aha. Dein Chef also? Wow. Und seid ihr in die Kiste gehüpft? Bist du wirklich so weit gegangen? Sorry, aber dir ist gerade alles zuzutrauen.“
Jetzt werde ich richtig laut.

„Und? War es schön? Kann er dir mehr geben, als ich? Hast du echt mit ihm geschlafen? Bist du echt fremdgegangen? Du widerst mich an, weißt du das?“
Emily bleibt weiterhin starr. Aber ich sehe auch, wie sich Tränen in ihren Augen bilden. Ich sage nun mal alles frei raus. Das blöde dabei ist nur immer, dass ich dann oft recht habe.

„Ja, Marc. Ich habe mit ihm geschlafen und ich sagte schon, dass es mir leidtut. Tu nicht so, als hätte ich jetzt allein Schuld. Was ist das denn noch zwischen uns? Was denn bitte? Du bist nur noch am Arbeiten.“

„Ach, ja? Du willst mir also sagen, dass ich mich hier um gar nichts kümmere? Das ist nicht dein ernst, oder? Und deswegen gehst du mit einem anderen ins Bett? Ich habe alles getan für dich, verdammt nochmal. ALLES!!!“
Bevor ich dann aber ganz die Fassung verliere und einfach nach draußen renne, atme ich einmal tief durch. Ganz ruhig.
„Und du gehst fremd? Wirklich?“

„Marc, ich. Was soll ich denn machen? Ich bin selbst so durcheinander. Ich weiß gar nichts mehr, okay?“

Irgendwie weiß keiner so recht, etwas Gescheites zu sagen. Wir schaffen es nicht mal, ein vernünftiges Gespräch aufzubauen. Es kommen nur Wortfetzen. Aber hey, sie hat mir gerade offen gestanden, dass ich recht habe. Und warum? Weil ich so bin, wie ich bin? Und das muss sie mir nach 20 Jahren mit auf die Rechnung schreiben? Wirklich? Nein, ich habe genug. Ich gehe. Ich möchte nichts mehr hören. Aus. Vorbei!

Wären meine Kinder jetzt nicht hier, dann würde ich sie rausschmeißen. Aber hochkant. Ich werde nie wieder eine Frau anschauen. Mein Leben ist mir einfach zu wertvoll, um so verletzt zu werden.
„Bitte pack´ deine restlichen Sachen und dann geh´ ! Ich gebe dir 10 Minuten.“

Bis Joel durch die Tür kommt und ich bemerke, dass auch er Tränen in den Augen hat.
„Nein, Paps. Du bleibst bitte sitzen. Mach bitte, okay?“
Was will er denn jetzt noch dran ändern? Ihm wurde gerade nicht so das Herz gebrochen. Ich hoffe aber auch, dass er sowas nie erfahren muss. Es tut einfach unheimlich weh. Ich kann kaum noch atmen oder sprechen.
„Marc, bitte. Es tut mir leid. Ich wollte das nicht.“

„Warum macht ihr das denn eigentlich jetzt? Paps ist der tollste Paps und du die tollste Mam. Unsere Familie ist unzertrennlich, aber plötzlich verstreuen sich alle. Was ist hier bitte los? Könnt ihr euch nicht einfach wieder zusammenraufen?“

„Ich tu´ mir das hier jetzt seit Tagen an, mit Paps. Er liebt dich und du liebst ihn. Wir sind doch eine coole Familie. Also wo ist bitte euer Problem?“

Derweil schaue ich wieder nur Emily an. Versuche, ihre Mimik zu deuten. Versuche herauszufinden, was wirklich in ihr vorgeht. Was sie mir verheimlicht. Warum sie das gemacht hat. Und mehr sehe ich auch nicht bei mir, als nur Wut, Hass, Traurigkeit und ja, auch Liebeskummer. Emily ist alles für mich. Meine große Liebe. Meine Stütze. Deswegen stehe ich einfach auf und gehe ins Wohnzimmer. Wieder starr durch diesen Tunnel. Einfach geradeaus. Blind irgendwo hin.

Einfach weg von ihr.

Keine Ahnung, wie viel Zeit jetzt auch vergangen ist. Ich schaue schon gar nicht mehr auf die Uhr. Und da höre ich plötzlich wieder diese Stimme. So weit weg. Als ich zu mir komme, bemerke ich, dass Emily bei mir sitzt.
„.....weil er nur zu mir sagte, dass Maik ein besserer Mann wäre und er mir mehr Liebe schenken kann. Natürlich weiß ich, dass das dumm war.“

„Es war Jimmys Freund, der mich zu Maik führte. Bei ihm bin ich auch geblieben. Verstehe mich mit seiner Frau ganz gut und sie haben mich erstmal aufgenommen. Ich war so durcheinander. Maik kann da nichts dafür. Jimmys Freund hat mir so viel vorgesabbelt und irgendwann habe ich das alles geglaubt.“

„Jimmys Freund sagst du? Aber egal, wer es gewesen ist, Emily. Du bist mit einem anderen Mann ins Bett und das werde ich dir nie verzeihen. Komme, was wolle: Du hast mir wehgetan und das kannst du nicht entschuldigen.“

Bis ich dann plötzlich wieder Sehnsucht nach Emily verspüre. Ich möchte ihr gerade nahe sein. Die ganze Wut ist kurz verschwunden und ich könnte ihr von hier auf jetzt verzeihen. Ihre Nähe spüren. Doch wie komme ich gerade hierher? Was ist passiert? Als ob ich einen plötzlichen Filmriss habe und mit Emily plötzlich hier stehe. Ich nehme sie in den Arm und möchte sie küssen.

Nein! Moment! Was mache ich hier? Stopp. Schon vergessen, Marc? Sie ist fremdgegangen!
Ich komme wieder zur Besinnung und stoße sie sofort von mir weg.
„Moment. Nein, Emily. Nicht so schnell. Meinst du, damit hat es sich? Weil ein anderer sagte und so? Nein, nein.“

„Deswegen geh jetzt bitte. Ich muss nachdenken. Ich weiß absolut nicht, wie es weitergehen soll. Geh einfach.“

Jimmys Freund? Wie kommt der denn jetzt ins Spiel? Was zum Teufel ist hier los?