- Kucki 232
Folge 460 - Keine Widerrede

Emily weiß im Moment nicht so ganz, wo sie ihre Traurigkeit als Erstes lassen soll. Erst müssen sie von Hier auf Jetzt umziehen und dann stirbt auch noch ihre Tante. Der Druck wächst. Ihre Liebsten sind in Gefahr. Und dann muss sie Marc auch noch erklären, was Sache ist. Das kann sehr problematisch werden, da sie weiß, wie sensibel er sein kann.

Phillip muss mit raus. Er konnte sehr schlecht schlafen. Selbst ihm geht vieles durch den Kopf. Sobald er die Möglichkeit hat, wird er mal mit Morgyn und Norman reden. Umziehen möchte keiner mehr und wollte man auch nie.
Die neue Küche wird trotzdem von ihm eingeweiht. Schon ein nettes Teil.

Die Kids wollen immer noch nach Hause. Brindleton Bay ist öde. Nichts los hier. Gut, sie waren auch noch nicht draußen, haha. Klar, dass die kahlen Wände nicht gerade ansprechend sind.

Emily möchte unbedingt wieder in die Schule. Das lenkt sie bestimmt ab. Und sie kann Marc sehen. Und die Kids denken sich, dass sie endlich mal etwas Spannenderes sehen als diesen Schrotthaufen hier.

Jeremy hat lange mit Nadja am letzten Abend geredet. Sie konnte ihn schon einigermaßen überzeugen, dass das alles hier richtig sei. Aber, was ist schon richtig? Man meinte ja bislang auch, dass alles ach so richtig sei. Und dann waren sie trotzdem wieder woanders. Der Rentner möchte nun einfach nur das Beste draus machen und dann ist gut.

„Die Sachen für den Garten kommen gleich an. Lass uns den Garten machen, Aurora. Dann freuen sich auch die Kinder.“
„Das klingt nach einem Plan.“

Etwas später trudelt ein kleiner Tiertransporter ein. Schrotti passt leider nicht auf das Grundstück, doch ein Bauer in Henford hat ihn gekauft. Die Hühner finden aber einen neuen Platz. Sie können sogar über das ganze Grundstück rennen, was mittlerweile aber eingezäunt ist.


Das Möchtegern-Fleisch findet ebenfalls seinen Platz.

Die Wäscheleine hat den Transport jedoch nicht so ganz überlebt und muss repariert werden. Die Drei schuften wie die Weltmeister.


Der Witwer Alex möchte seinen kleinen Bruder besuchen. Er war doch etwas erstaunt darüber, dass sie jetzt hier wohnen. Er geht gerne in Brindleton Bay spazieren. Die Ruhe ist göttlich. Oft setzt er sich sogar auf die Bank am Denkmal und wollte so etwas Abstand zu Elenor gewinnen. Doch, seit sie tot ist, merkt er erst, wie sie ihm fehlt.

„Hä? Was suchst du denn hier? Mensch, Alex. Wie geht’s dir, du oller Stinker?“
„Alles gut. Ich dachte, es wird mir helfen, wenn ich dich besuchen komme und mir selbst mal ein Bild mache. Sind die Geister wirklich in Gefahr? Das kann ich Mam und Paps nicht antun. Und schon gar nicht Elenor. Als ich das gehört habe, war ich noch trauriger, als ich schon bin. Ob Emily es schaffen wird?“
„Na klar, wird sie. Sie ist meine Tochter und meine Tochter ist die Beste und schafft einfach alles.“
„Klar. Hab ich nur ganz vergessen, haha.“
„Und wie gesagt: Erzähl es bitte keinem. Irgendwann wird es zwar eh jeder erfahren, aber jetzt eben noch nicht.“

„Jeremy. Sie fehlt mir so. So anstrengend wie sie auch war, aber ich habe sie geliebt. Ich werde sie immer lieben. Ich dreh zuhause durch.“
„Alles gut. Weißt ja. Wir können gut ablenken. Wollte sowieso mal 20 Bier mit dir trinken. Wenn nicht noch mehr. Jedes Bier, was wir noch nicht zusammen getrunken haben, müssen wir natürlich dann draufrechnen.“
„Klingt gut.“

„Hey, Alex. Schön, dich zu sehen. Mein Beileid.“
„Mein Beileid.“

Die Rentner verkrümeln sich an den Tisch. Aurora ist es wichtig, dass sie noch so viel Zeit zusammen haben, wie nur möglich. Sie schafft das hier nun auch alleine. Nachher hat sie ja auch noch genug Hilfe.


Doch Alex muss auch schon wieder los. Er möchte die Beerdigung von Elenor vorbereiten. Bevor er geht, bittet er die Duvans noch, dass alles wieder gut wird. Emily darf nicht scheitern und die Magie darf auch niemals mehr scheitern.
Das mit Alex geht ihnen sehr nahe. Am liebsten würden sie ihn hierbehalten und gemeinsam mit ihm Filme schauen und Bierchen trinken.
Die Kids kommen gleich aus der Schule. Jeremy, Nadja und Aurora lehnen sich noch eine Weile zurück. Für heute haben sie genug getan.

Da sind sie auch schon. Schon wieder dieses öde Haus mit diesen öden Wänden und ödem alles. Der Garten und die Hühner bringen ja schon etwas Leben rein, doch das bringt in dem Haus auch nicht viel. Da ist trotzdem alles öde.

Emily hatte einen noch mieseren Tag. Marc ist enttäuscht von Emily, dass sie einfach so weggezogen sind. Sie hat ihm aber schon angedeutet, dass er ihr erstmal zuhören soll, bevor er sie köpft oder sonstiges. Trotzdem ist sie immer noch fix und alle. Am liebsten möchte sie im Boden versinken.
„Hey, Schwesterherz. Ruf ihn an und er soll vorbeikommen. Erzähl es ihm und schiebe es nicht weiter auf. Du hast es schon schwer genug.“
„Er wird mich hassen, wenn er die Wahrheit erfährt.“
„Finde es doch erstmal raus. Nachher ist es doch gar nicht so schlimm.“

„Ich weiß nicht, Phillip. Ich habe Angst. Es ist so schon alles so unangenehm. Ich möchte ihn nicht verlieren, okay?“
„Ruf ihn an. Komm. Na, na. Ruf ihn an. Du schaffst das.“

„Seit wann bist du eigentlich so nett zu mir? Moment. Ich wusste nicht, dass du mich so aufmuntern kannst. Sonst verarschst du mich doch immer nur. Wo ist mein großer Bruder? Hallo? Noch irgendwo da?“
„Haha, witzig. Ich möchte dir nur helfen und dir zeigen, dass ich da bin. Was soll ich machen? Und nun ja. Ich werde wohl älter. Scheiß Gefühl, aber muss ich wohl durch.“
„Kannst du mir vielleicht dann auch gleich bei den Hausaufgaben helfen? Ich rall den Mist nicht. Mag heute gar nicht so richtig überhaupt irgendwas rallen.“
„Zeig mal, was du da hast. Vielleicht kann ich das ja noch.“
Schließlich hilft er ihr bei den Hausaufgaben. Phillip versucht gerade für seine Familie stark zu sein. Genau wie seine Frau. Irgendwer muss jetzt einen kühlen Kopf bewahren. Denn auch die jungen Erwachsenen haben lange miteinander geredet.

Jeremy ruft seinen großen Bruder noch einmal an. Er weiß, dass Elenor und er nicht weit auseinander waren, vom Alter her. Viel Zeit hat er mit ihm nicht mehr. Der Rentner ist nicht mehr der, der er einst mal war. Lange hat er es noch versucht, aber seine Kraft schwindet langsam. Und dann der Tod von Elenor noch und dieser Umzug. Er mag einfach nicht mehr.

„Danke, Phillip. Du hilfst mir sehr.“
„Keine Ursache. Und nun ruf ihn an. Keine Widerrede.“

Ihr Bruder hat nämlich noch einen anderen Auftrag. Fiona ist nur am Rummeckern und möchte schon ihre Sachen packen und alleine in Sulani wohnen. Hier ist also auch noch viel Redebedarf.
„Paps, das ist total doof hier. Die Gegend stinkt. Alles stinkt. Die Blumen stinken und der Himmel stinkt. Selbst das Haus stinkt.“

„Marc, hast du denn Zeit? Mir ist es wichtig, dass wir heute reden. Bitte.“

„Können wir also wieder umziehen? Ja?!“

Marc braucht eine Weile, bis er schließlich vor dem Haus steht. Der Vorteil ist aber, dass es von hier nicht mehr weit zur Schule ist.

Der Teenager hat schon nicht viel in der Schule geredet. Eigentlich ja nichts Neues, aber mit Emily spricht er dann doch etwas mehr. Sie wollte ihm das eh in Ruhe erklären. Zwischen den ganzen anderen Kids ist es dann keine gute Kulisse.
„Hey. Sorry. Ich weiß einfach nicht, wo ich anfangen soll. Komm erstmal her, bitte.“

„Du zeihst einfach so weg? Einfach so? Ich war froh, dass ich in deiner Nähe war und dann plötzlich ziehst du weg. Was läuft bei euch falsch?“
„Es tut mir leid. Marc, ich. Boah. Irgendwie stand ich schon mal vor dieser Situation. Aber da hatten wir noch nicht so ein süßes Date und so. Okay. Keine Geheimnisse. Ich fang einfach mal an. Ich bin wieder Magierin und hey – die einzige. Klein Emily soll die Welt retten und die Geisterwelt leidet gerade. Deswegen mussten wir hier hinziehen. Weil das andere Haus nicht gut war. Soweit alles verstanden? Hihi.“

„Ich weiß. Das klingt absurd, aber mir blieb keine andere Wahl. Du weißt, dass ich froh war, sowas nie wieder machen zu können. Aber hey. Ich kann alles besser machen. Alles richtig. Verstehst du? Ich kann die Geister nicht leiden lassen. Du hättest diese Schreie hören sollen. Also bitte, Marc. Vertrau mir. Ich weiß, es ist nicht einfach, aber ich muss das machen. Ich weiß einfach nicht weiter.“

„Also. Moment. Du willst mir sagen, dass du wieder eine Magierin bist und jederzeit eurer Haus wieder abbrennen kann und man euch töten will und sowas?“

„Ich werde nicht sterben, okay? Ich rette die Welt. Von Sterben ist keine Rede.“
Emily hat sich eigentlich auf das Gespräch vorbereitet, doch sie findet einfach keine Argumente mehr. Sie hat Angst, dass Marc einfach so gehen könnte.

„Schön. Da mache ich leider nicht mit. Nein. Ich will bestimmt nicht nochmal mitbekommen, wie vor meinen Augen meine Freundin stirbt. Sorry. Aber da bin ich nicht dabei.“
„Marc. Meinst du, du hast Verena damit nun erlöst? Nein. Hast du nicht. Auch sie leidet.“
Der Teenager ist echt kurz davor, zu gehen. Aber, als das mit seiner Exfreundin kommt, ist er sich da doch nicht mehr so ganz sicher.
„Verdammt. Maaaaaan!!!“
Schließlich setzen sich beide wortlos auf den Boden.

„Aber gut Marc. Wenn du gehen willst, dann mach es halt. Ich kann dir da nicht reinreden. Es ist jetzt sowieso zu spät. Der Groschen ist gefallen. Denk drüber nach. Natürlich wäre es schade, wenn du gehst, aber irgendwo kann ich dich auch verstehen. Also. Ich geh nun rein.“
Sie lässt einen leise fluchenden Marc alleine.

„Alles klar, Marc. Du haust jetzt nicht ab. Mal schauen, wo Emilys Zimmer ist. Da gehst du jetzt rein und denkst nach. Nicht abhauen. Sei nicht feige.“

„Mam, es ist so schwer. Da draußen sitzt der süßeste Junge aller Zeiten und er möchte gehen. Mich verlassen. Weil. Weil ich die Welt retten muss. Warum? Mam, ich halte den ganzen Mist nicht mehr aus.“

Schön, dass der Fernseher schon steht, na ja hängt. Nun heißt es nachdenken. Nochmal jemanden zu verlieren, möchte er nicht. Aber leidet Verena wirklich? Aber dann leidet doch auch der Freund seiner Mam?! So ein lieber Mensch.

„Moment. Ich rede mal mit ihm. Hab ihn doch gerade in dein Zimmer gehen sehen. Ich komm gleich wieder, hihi.“
Sie geht zur Tür.
„Marc? Kann ich dich mal bitte kurz sprechen?“
„Nö.“

„Marc? Du willst es dir doch nicht mit einer alten Oma verscherzen, oder? Also komm bitte her.“
Nadja hört, wie er den Fernseher ausmacht und laut seufzt. Sie grinst wiederum. Die erste Hürde wäre überstanden. Der Teenager macht vorsichtig die Tür auf und linst raus. Die Seniorin setzt ganz schnell wieder einen ernsten Blick auf.
„Was? Willst du mir jetzt auch noch eine Standpauke halten? Ihr wisst, was ich durchgemacht habe und ihr wisst, dass ich Angst habe. Ich könnte es halt nicht ertragen, wenn Emily nun dabei stirbt.“
„Wer sagt eigentlich, dass sie sterben könnte? Du glaubst gar nicht, was wir schon alles durchhaben. Ich bin 85 Jahre alt und du siehst – ich bin noch da.“

„Ich vertraue meiner Tochter. Nur, sie braucht dich, verstehst du? Sie braucht dich. Ich möchte, dass meine Tochter glücklich ist und dass sie wen an der Seite hat, dem ich vertrauen kann. Der sie beschützt. Auch wenn du viel erlebt hast, zeigst du Stärke. Allein, dass du dich so um deine Familie kümmerst, zeigt Stärke. Du gibst nie auf, auch wenn dein Herz in Scherben liegt. Du brauchst Emily und sie braucht dich. Oder willst du irgendwann ewig in der Geisterwelt mit Emily leiden? Qualvolle Leiden. Also, was mir Emily da erzählt hat, ist wirklich nicht schön. Gehst du nun also zu ihr, umarmst sie und sagst ihr, dass du sie liebst? Geht das?“
„Äh.“

„Leiden wirklich alle Geister?“
„Ja. Und bald auch nicht mehr nur die Geister.“
„Hm. Aber wenn ihr was passiert.“
„Marc? Liebst du sie?“
„Ja.“
„Dann wird ihr auch nichts passieren. Emily ist stark.“
Der Teenager denkt noch kurz nach. Ihm gehen gerade immer wieder die Bilder mit dem Unfall durch den Kopf. Aber auch das Bild, wie Verena und der Fahrer jetzt leiden würden, stellt er sich auch vor.
„Nun zeig du Stärke, Marc.“
„Danke, Nadja.“

Emily steht schon eine Weile da und hat alles mitbekommen. Sie ist ihrer Mam gerade sehr dankbar.
„Also Marc. Ich möchte wenigstens in meinem Leben noch eine gute Tat vollbringen. Dreh dich um und klär das. Keine Widerrede.“

„Ich geh dann mal, ihr süßen Turteltäubchen, hihi.“

„Wenn du jetzt gehen solltest, dann ist das okay. Ich kann dich nicht zwingen. Aber wenn ich die Welt gerettet habe, dann werde ich um dich kämpfen. Das sei dir gesagt. Also?“

„Muss ich dich dann eigentlich Heldin nennen, oder sowas?“
„Möglich, hihi.“

Nadja ist gerade etwas stolz auf sich. Sie hofft sehr, dass sich alles zum Guten wendet, auch wenn sie nicht mehr dabei sein wird.

„Okay.“
„Schön, hihi.“
„Mir gefällt es trotzdem nicht, dass du nun so weit weg wohnst.“

„Du hast doch eh gesagt, dass du dich in Sulani nicht wohlfühlst und deine Mam auch nicht. Oben ist noch ein Haus frei. Wir gewinnen den Fall und dann zieht ihr da oben ein. Wäre doch schön, oder nicht? Aber ich brauch dich, Marc. Egal, wie weit weg du wohnst.“

Derweil so beim Abendbrot:

Die Kids haben immer noch miese Laune. Und Jeremy schaut Nadja total verliebt an. Das ist seine Nadja. Die Konfliktlöserin schlechthin.
„Bitte sag aber niemandem etwas darüber. Mir blieb nun nichts anderes übrig, mit dem Umziehen. Sollte jemand fragen, sind wir wegen meiner Eltern umgezogen. Die Hitze ist sehr schlimm für die beiden. Irgendwann hätte es sie ins Krankenhaus gebracht. Irgendwie sowas.“
„Okay.“

„Und das mit dem Haus oben ist übrigens eine gute Idee. Vielleicht kann ich Mam und Valentino ja überreden. Hauptsache ich bin wieder bei dir und kann aufpassen, dass du keinen Mist machst. Es ist wirklich sehr schön hier. Aber nun soll Mam erstmal gesund werden.“

„Danke Marc. Ohne dich schaffe ich das einfach nicht.“
„Was hast du denn, Benny? Nach und nach wird doch euer Zeug geliefert. Klar, wir haben keinen Ozean, aber wir haben hier viele Spielplätze. Hast du dir überhaupt schon mal draußen alles angeschaut?“
Und Nadja immer noch stolz wie Bolle, haha.

Marc ist klargeworden, dass Verena weiterhin leidet und er sie nicht wirklich erlöst hat. Das möchte er wiedergutmachen. Emily hat jedoch noch absolut keinen Plan.
Doch erstmal ist sie froh, dass ihr Freund nicht abgehauen ist. Sie hatte sehr große Angst vor diesem Gespräch. Tja, ihre Mam ist halt die Beste.


Als Emily sich waschen geht, befestigt Phillip auch noch das Ganze:
„Glaub mir. Wir haben schon vieles durch. Wir Duvans aus dem Haus der Generationen sind aber trotzdem nicht kleinzukriegen.“

Denn auch die Duvans sind nur eine fast gewöhnliche Familie, die Klos reparieren müssen.

„Du und Emily habt ein starkes Band. Das spüre ich. Euch würde es nicht viel besser gehen, wenn ihr euch trennen würdet. Wäre es das wirklich wert?“

Marc bleibt noch eine ganze Weile. Nachher möchte er sich Brindleton Bay noch etwas mehr anschauen. Seine Schwester bleibt in Sulani eh über Nacht. Er nimmt dann den letzten Bus nach Sulani.

Etwas mulmig ist ihm trotzdem noch.
