- Kucki 232
Folge 53 - Auf der Suche nach dem Jungen (Teil 1)
Aktualisiert: 16. Mai

Endlich habe ich mich mal ausgesprochen. Das musste einfach sein. Emily versteht anscheinend nicht, was sie damit angerichtet hat. Kommt einfach so her und will wieder mit mir in einem Bett schlafen, als wäre nichts gewesen? Aber soll ich ehrlich sein? Nicht mit mir.
Ich hänge also die Wäsche auf und warte auf Joel. Er muss dann wohl den Nachmittag auf seine kleine Schwester aufpassen. Geht eben nicht anders. Habe auch schon mit Frau Steinberg gesprochen, dass ich nachher nach Windenburg komme. Lagebesprechung. Die Polizei sucht zwar auch nach dem Kleinen, aber ich gehe eben dem nach, was die Polizei vielleicht übersieht.

Michelle wird noch versorgt. Hach, sie lächelt immer so. Die Kleine ist echt nur am Strahlen. Natürlich hätte sie es irgendwann auch bei ihrer Mutter gut, aber jetzt muss ich erstmal selbst genug verdauen. Es ist noch zu früh, Michelle immer hin- und herzuschieben.
„Na, Spatz. Schön geschlafen?“

Außerdem fange ich langsam an, wieder Puddingarme zu bekommen. Ich muss ganz dringend trainieren. Bald holen mich ja schon die Omis wieder ein.

Ich muss gestehen, dass ich diese ruhige Zeit sehr genieße. Ja, es ist noch viel zu tun, aber das bekomme ich auch noch hin. Bald baue ich mir hier eine wunderbare eigene Muckibude und vielleicht auch noch mit Sauna und sowas. Ich kann tun und lassen, was ich will. Was soll ich bitte mit quietschgrünen Wänden und hässlichen Tapeten, die aussehen wie aus der Steinzeit? Alles möchte ich renovieren und frischen Wind reinbringen.

Puh, ich stinke. Aber so richtig. Also ab unter die Dusche und dann ist Marc Duvan wieder da. Hoffe, es geht gut. Oder meint ihr, dass ich jetzt trotzdem einfach so Freudensprünge machen kann? Schön wäre es.

Kurz vor 15 Uhr setze ich mich ins Esszimmer und gehe nochmal alles durch. Ich darf nichts vergessen. Wäsche aufgehängt? Check. Fotos von Lukas dabei? Check? Michelle die Windel gewechselt? Check. Klappt doch langsam.

Ich bemerke erst gar nicht, wie mein Sohn durch die Tür kommt und zucke zusammen, als ein „Hi, Paps“ kommt. Er setzt sich zu mir.

Um ihn will ich mich jetzt auch besser kümmern. Er möchte wirklich einst Detektiv werden. Vielleicht auch Anwalt. Ich gebe ihm so viele Tipps, wie ich nur kann. Vater und Sohn gegen den Rest der Welt.
„Und? Wie war die Schule? Alles bestens?“

„Jo, alles cool. Katharina möchte, dass ich mit zu ihr nach Hause komme, da ihre Eltern mich gern kennenlernen möchten. Und dann ist da noch Olivia. Wow. Warum machen Mädchen sowas? Sie ist voll eifersüchtig auf Katharina und guckt immer so, als ob sie sie gleich umnieten möchte. Aber ansonsten alles top. Echt.“

„Ja, da musste ich früher auch mal durch. Verena hat ihr dann nachher eine gedonnert und dann war Ruhe.“

„Okay, haha. Du erzählst in letzter Zeit viel über Verena. Es tut mir leid, dass sie gestorben ist. Und dann das mit Mam. Aber hey. Das schaffen wir auch noch, oder?“

Ich sage Joel, dass ich langsam losmuss. Michelle hat heute Mordshunger, also gebe ich ihr eben noch eine Flasche. Ich möchte meinem Sohn nicht zu viel zumuten, da er auch noch lernen muss. Das verstehe ich.

****
Ich komme in Windenburg an. Es regnet sehr stark. Irgendwo in einer verlassenen Ecke lande ich. Schöne Gegend. Ein wunderbarer Wald in der Nähe, mit einem angrenzenden Fluss. Hier kann man bestimmt gut angeln.

Ursprünglich komme ich aus Windenburg. Oben bei den Klippen. Mein Paps hatte hier eine ziemlich coole Hütte. Diese musste aber leider vor ein paar Jahren abgerissen werden, weil sie mehr als baufällig war. Sonst wäre ich da bestimmt eingezogen. Mit Emily? Tja, klar. Nur heute eben nicht mehr.

Vor einem größeren Haus bleibe ich stehen. Wow. Ist das echt hier? Das ist ja ein Palast. Ich schaue noch einmal nach, um mich zu vergewissern. Aber doch. Das ist hier. Wow.

Und dann höre ich laute Stimmen. Ein Streit. Es hört sich nach Frau Steinberg an. Die Frau tut mir sehr leid. Ich weiß nicht warum, aber sie hat auf mich einen sehr ängstlichen Eindruck gemacht. Als ob sie nicht nur Angst davor hat, ihren Sohn nie wiedersehen zu können. Sie wollte erst auch gar nicht, dass wir uns hier treffen, doch ihr Mann besteht darauf.

Ich werde wohl auch nicht viel sagen. Infos holen und dann wieder raus. Jede Sekunde zählt. Bevor es dunkel wird, möchte ich Lukas gefunden haben.
Ein Mann öffnet mir die Tür und schaut mich total abwertend an. Er kneift seine Augen zu, doch sagt nichts.
„Hallo“, sage ich.

„Hey, verpiss dich. Oder bist du einer der vielen Verehrer von Jenny, hmmm? Komm hau ab!“
„Immer langsam, ja? Ich bin hier um zu helfen und .....“

„Marco? Sei still. Das ist Marc Duvan, okay? Boah.“
Plötzlich setzt der Mann sein bestes Lächeln auf und ich werde schnell wie der heilige Papst behandelt.
„Oh, cool. Wunderbar. Möchten Sie was trinken?“

„Äh nein, danke. Ich wollte schnell wieder los und bin nur hier, um ein paar Sachen zu holen, die mir helfen könnten.“
Mir fällt schnell auf, dass der Mann in einer anderen Liga mitspielt. Eine Liga, die sehr schnell aus der Haut fahren kann. Aber warum kann sich eine Frau wie sie, nur mit so einem abgeben? Ich verstehe das manchmal nicht. Aber das soll auch nicht mein Problem sein. Ich bin hier wegen des Jungen.

„Hallo. Ich freue mich sehr, dass Sie hergekommen sind. Ich habe auch noch einige Dinge zusammengesammelt von Lukas, die vielleicht bei der Suche helfen könnten. Bitte finden Sie meinen Jungen.“

Mich macht dieser Marco Steinberg irgendwie sehr nervös. Diese gespielte Art geht gar nicht. Bei solchen Leuten muss man immer aufpassen. Die haben mehr zu verbergen, als einem lieb ist.
„Ja, UNSER Sohn fehlt mir auch sehr. Er ist einfach abgehauen und wir wissen nicht warum. Wir tun alles für UNSEREN Sohn. So ein lieber Junge. Den müssen Sie mal sehen.“

„Er kommt ganz nach mir und hat sogar meine Frisur. Ist ein Musterschüler und bringt nur gute Noten mit nach Hause. Ein Wunder von Sohn.“
Und dann dieses Grinsen dazu. Ich werde langsam richtig sauer. Da weiß ich nicht mal so recht, warum. Instinkt?
„Schatz? Halte bitte Herr Duvan nicht auf. Er muss doch den Kleinen finden.“
Hm. Wie war das noch bei unserem Treffen? Da war doch was mit Exmann? Hmm. Okay, soll mir jetzt auch egal sein. Keine Zeit. Ich muss los.

„Oh, ja ja, klar. Natürlich. Ich gebe Ihnen noch ein paar Fotos. Die sind vom letzten Sommer. Schauen Sie.“

„Wir waren da zusammen im Urlaub. Wo meine Frau ja mal wieder was Besseres zu tun hatte und irgendwo ihre göttliche Stimme in einer Kneipe vortragen musste. Sie kann echt gut singen. Das müssen sie mal hören.“
Ich schaue den Mann intensiv an und verdammt nochmal. Dieser Unterton. So abwertend. Und dann steht er hier und grinst mir ins Gesicht? Ein guter Schauspieler. Ein Indiz dafür, dass er mit dem Verschwinden zu tun hat? Ich finde es heraus.

„Darf ich eben noch kurz in sein Zimmer? Vielleicht finde ich noch etwas Nützliches.“
„Natürlich. Treppe hoch und dann oben links.“
Das Haus ist wirklich sehr groß. Die beiden scheinen sehr gutes Geld zu verdienen. Edle Möbel und Lederteppiche schmücken die vier Wände.
Oben finde ich einen riesengroßen Flur vor. Hier wohnen drei Sims drin? Hier passen ja mindestens 20 Familien rein.

Ich durchsuche das Zimmer, doch finde nichts Auffälliges. Sehr aufgeräumt und alles liegt geordnet an seinem Platz. Videospiele und Rätselhefte geordnet. Okay. Aber keine Andeutung auf sein Verschwinden.
Kurze Zeit später setze ich mich in eine Spielecke. Auch hier alles aufgeräumt. Nichts liegt an einem falschen Platz oder einfach nur rum.

In einer Ecke finde ich ein Buch mit einem Lesezeichen drin. Ein Bild mit einer weiblichen Figur und einer männlichen. Über der Weiblichen ist ein Herzchen und die Männliche ist durchgestrichen. Er scheint wirklich Probleme mit seinem Vater zu haben. Dem werde ich vielleicht mal nachgehen. Notfalls schalte ich das Jugendamt ein. Doch erstmal muss ich diesen Jungen finden. Ich nehme das Bild mit und noch einige andere Zeichnungen.

Ich gehe runter und sehe Frau Steinberg schweigend auf der Couch sitzen. Sie hat die ganze Zeit schon nicht viel gesagt. Aber eigentlich geht es mich ja auch nichts an.

Trotzdem liegt es mir auf der Seele, sie wegen ihres Mannes anzusprechen. Wegen des Bildes. Doch ich lasse es.

„Ich werde ihren Sohn finden, okay? Habe mir jetzt ein bisschen was angeschaut und ich könnte vielleicht eine Vermutung haben, wo er steckt. Es wäre aber besser, wenn Sie nicht mitkommen würden. Also nein, keine Angst jetzt. Ihm geht es bestimmt gut. Wenn er denn da ist, wo ich denke.“

Denn auf diesem Bild ist noch etwas mehr zu sehen, als nur diese beiden Figuren. Sehr gute Details wurden hier aufgezeichnet, die helfen könnten. Ich habe diesen Ort schon öfter auf anderen Zeichnungen des Jungen gesehen. Immer dieselbe Stelle.
Ich schaue Frau Steinberg an und merke, dass sie erleichtert ist. Sie vertraut mir und das finde ich schön. Ein kurzer Funken Hoffnung wird sichtbar.

Also mache ich mich bei diesem Mistwetter auf, um nach diesem Ort zu suchen. Dieser scheint ihm sehr wichtig und vertraut zu sein. Mal schauen, was mein Laptop mir da rausschmeißt.

Ab ins Auto und los gehts. Ich werde ihn finden.
