- Kucki 232
Folge 54 - Auf der Suche nach dem Jungen (Teil 2)

Ich hoffe ja, dass die Suche jetzt nicht so miserabel verläuft wie das Wetter. Hätte ich das gewusst, hätte ich mir noch eine Regenjacke mitgenommen. Gar nicht gut. Meine Hose ist schon durch. Doch ich muss den Jungen finden. Da hilft es jetzt nicht zu jammern. Ich bin selbst Vater und kann mir gut vorstellen, wie es ist, wenn das Kind verschwunden ist. Emilio ist zwar einmal früher ausgebüxt, aber das ist eine andere Geschichte. Also Abmarsch.

Der Junge hat es mir sehr leicht gemacht. Ob es gewollt ist? Ich weiß nicht warum, aber ich habe das Gefühl, dass er wusste, was er mit den Bildern tut. Trotzdem kann ich mir daraus noch keinen Reim machen. Direkt hinter dem Haus sind nämlich diese Steinformationen und genau diese sind auf den Bildern.

Ich gehe näher ran und sehe etwas eingeritzt. L.S. mit einem Pfeil nach rechts. Soll das hier eine Schnitzeljagd werden? Will der Junge mich veräppeln? Sein Vater scheint zwar nicht ganz sauber zu sein, aber wie muss sich seine Mutter fühlen? Warum macht der Junge das?

Auch diese Straße ist auf dem Bild zu sehen. Ist Lukas doch nicht so weit weg, wie man denkt? Die Polizei schaut überall. Nur nicht in der Nähe. Komisch. Da fängt man doch erst in der Nähe an zu suchen. Oder hatten sie nur nichts gefunden?

Hat die Polizei überhaupt das Haus durchsucht? Sieht nicht danach aus.
Ich schaue auf mein Handy und gehe die Map durch, die mir mein Laptop eben im Auto rausgeschmissen hat. Windenburg. Selbe Straße. Ein Witz. Und der Junge ist tagelang verschwunden?

Hm, okay. Ich muss da weiter hoch. Alles klar. Dort soll ein altes Haus stehen. Seit Jahren steht es leer. Könnte hinkommen, laut Zeichnung.

Also ab nach oben. Ein bisschen Bewegung schadet nie.

Im Sommer kann man sich bestimmt super hier hinsetzen und grillen. Sowas liebe ich ja. Einfach irgendwo rumsitzen und sein Steak genießen. Und je mehr Geplätscher in der Nähe ist, desto besser. Doch allein möchte ich hier nicht sitzen. Mich würden meine Gedanken auffressen. Immer habe ich Emily vor mir. Wie sie mich anlächelt.

Meine Kinder sind nicht so begeistert von der Trennung. Emilio wäre fast zu Emily hingefahren und hätte ihr eine gedonnert. Er war so sauer. Joel war viel am Heulen. Und nun gehe ich hier mitten durch die Pampa im widerlichsten Regen aller Zeiten und suche ein vermisstes Kind, was irgendwie gar nicht so richtig vermisst wirkt.

Oh, was ist das denn dahinten? Was für eine schöne Ecke. Da muss ich mal hin.

Ein kleiner Wasserfall. Wirklich schön. Aber ich bemerke sehr schnell, dass meine Füße sofort in den Boden sacken, je länger ich hier stehen bleibe. Na toll. Wenn es schöner ist, werde ich hier mal öfter herkommen. Insofern mich meine Gedanken lassen.

Meine Füße schwimmen auch schon langsam in den Schuhen. Sie fangen an zu frieren und langsam muss ich mal ins Trockene. Hätte vorher wohl mal den Wetterbericht beachten sollen. Oder ich habe in Zukunft immer irgendwas im Auto mit dabei. So als Vorbereitung. Man weiß ja nie.
Ich schaue mir die Map wieder an. Es ist nicht mehr weit. Da vorn eigentlich schon. Das Witzige ist, dass dieses Haus 10 Minuten Fußweg vom Elternhaus weg ist.

Ist es das da vielleicht? Mal schauen.

Boah. Langsam muss ich mich aber mal hinsetzen. Auch wenn dieser Marsch vielleicht 10 Minuten dauern würde, fühlt es sich durch den Regen und den Bergen an, als würde man einen Marathon die Berge hochlaufen. Und hey, ich bin 37. Da dürfen ein paar Knochen auch schon mal knacken. Hui. Aua.



Langsam ist das doch ganz schön trostlos alles. Und was ich mich jetzt gerade noch mehr frage: Was zum Geier sucht mein ältester Sohn hier?

Ich gehe zum Haus rüber und schaue Emilio nur fragend an. Hat er hier etwa auf mich gewartet? Was soll das Ganze? Ich verstehe jetzt gar nichts mehr. Hat er etwa was mit dem Verschwinden zu tun? Was läuft hier?

Egal, was er gerade verbrochen hat: Er ist trotzdem mein Sohn und deswegen begrüße ich ihn mit einer ordentlichen Umarmung.
„Alter, ey. Volles sorry, Paps.“
Er weiß von der Scheidung heute. Natürlich behalte ich sowas nicht für mich. Okay. Mit Joel muss ich noch drüber reden. Habe ihn ja eben nicht lang gesehen.

Aber jetzt möchte ich es erstmal wissen:
„Kannst du mir mal sagen, was hier gespielt wird? Hast du ihn etwa entführt? Emilio, ich warne dich.“

Er schaut mich total traurig an. Das kann ich jetzt noch nicht so richtig deuten. Schaut er so wegen des Wetters, wegen der Trennung oder weil ich recht habe? Oder wegen allem?

„Paps? Können wir nicht eben reingehen? Ich frier’ mir hier die Eier ab und durchgeweicht sind die auch schon. Ey, voll das uncoole Wetter. Echt.“
Okay. Ich frage mich zwar, wie er Zugang zu diesem Haus hat, aber vielleicht klärt sich ja alles gleich auf. Ich hoffe nur, dass ich ihm keine Handschellen anlegen muss. Wenn er hier Kacke am Dampfen hat, dann kann ich keine Ausnahme machen.
Wir gehen rein und er legt sofort los:
„Ja, man. Ich konnte doch nichts sagen. Und nein. Ich habe ihn nicht entführt. Ich habe ihm eher geholfen. Bitte Paps. Das stimmt voll. Wir sind Kumpels, verstehst?“

„Ehrlich gesagt, verstehe ich gerade gar nichts mehr. Was spielst du hier? Du weißt schon, dass seine Eltern sich Sorgen machen?“
„Ja, man. Ich weiß. Aber Jenny weiß, dass der Kurze hier ist, okay? Wir mussten nur eine falsche Fährte legen und hey. Immerhin bist du auf unser Rätsel gekommen. War doch easy, oder nicht?“
„Willst du mich verarschen? Echt jetzt?“

Doch bevor ich weiter nachhake, schaue ich mich draußen noch etwas um. Ich habe ein Fahrrad gesehen und ein Schlafsack. Hat der Junge hier echt die ganze Zeit geschlafen?

Auch frische Kinderspuren finde ich. Nein, jetzt reicht es mir. Ich muss ihn zur Rede stellen. Was hat Emilio jetzt mit dieser ganzen Sache zu tun? Und wehe, er lügt mich an.

Ich höre Emilio von drinnen rufen:
„Paps? Er ist hier, okay? Oben.“
Ich gehe rein und könnte meinem Sohn gerade links und rechts eine scheuern. So richtig.

„Du bringst mich in Teufels Küche, weißt du das eigentlich? Bist du verrückt? Das ist kein Spiel. Also rück jetzt mit der Sprache raus und dann bringen wir Lukas zurück. Das kannst du doch nicht machen. Woher kennst du die Steinbergs?“

In dem Moment höre ich jemanden die Stufen runterkommen.
„Ich bin hier, Herr Duvan.“
