- Kucki 232
Folge 57 - Was grinst du so?

Michelle schläft friedlich und ich habe bis zum Termin noch ordentlich Zeit. Eigentlich sollte ich mich jetzt ja dann noch auf die Couch hauen, doch möchte ich meinen Frust erstmal ablassen. Ja, meinen Frust. Manchmal werde ich immer wieder schwach und könnte Emily anrufen, um mich mit ihr zu versöhnen, aber dann lege ich das Handy immer wieder zur Seite. Ich will diese Frau nicht mehr an meiner Seite. Ich möchte gar keine mehr an meiner Seite. Habe doch schon gesagt, dass ich allein besser klarkomme.

Frauen sind lästig, nerven und sind Zicken. Nach fast 20 Jahren Ehe kann ich das ganz gut beurteilen. Habe ich es echt so lange mit ihr ausgehalten? Wow. Immer wollte sie, dass alles nach ihrer Pfeife tanzt und ich würde sie ja einsperren. Boah. Wer weiß? Vielleicht hängt sie ja mit ihrem Maik irgendwo gerade in einer Kneipe rum und hat Spaß. Interessiert mich nicht.
Ich muss mich auf den Termin konzentrieren. Und genau deswegen gehe ich jetzt duschen.
Dabei habe ich die Tür einen Spalt offen gelassen, denn sie kann ja jetzt nicht mehr einfach so reinkommen. Will eh das Schloss austauschen. Wer weiß, ob sie sich noch einen zweiten Schlüssel hat machen lassen.

Nervensäge. Blöde Kuh. Bäh.

Bevor es losgeht, checke ich wie immer meine Mails. Normal ist es bei mir nicht so üblich, dass ich Mandanten zu mir nach Hause einlade, aber hier ist es irgendwie was anderes. Erstmal hängt mein Sohn mit drin und ich wünsche mir, dass es Lukas gutgeht. Also mache ich es eben so.

Das Handy klingelt und es ist ausnahmsweise mal nicht Emily. Eher Frau Steinberg. Ganz praktisch, wenn man zwei Handys hat. Bleibt das Private einfach mal aus und Tschüss. Diese Ruhe ist der Hammer.

Frau Steinberg findet anscheinend das Haus nicht und so erkläre ich es ihr. Und während ich da so am Erklären bin, sagt sie nur, dass sie es gefunden hat und legt auf. Kurze Zeit später klingelt es. Auch gut. Ich gehe zur Tür. Schnell stelle ich fest, dass sie ganz anders aussieht. Ach, mir auch egal. Bringe ich es hinter mich.

Ich bitte sie herein und sie schaut mich kurz nur an. Natürlich schaue ich weg. Weiß jetzt nicht, was das soll!?

Und dann lächelt sie.
„Hallo. Wie geht es Ihnen? Seit Sie uns geholfen haben, geht es Lukas und mir gut. Danke nochmal.“

„Mein Mann … Exmann .... schreit gern rum, verstehen sie? Ich konnte nicht wirklich viel sagen, sonst hätte ich Ihnen gern mehr geholfen. Aber ich konnte das nicht einfach so vor meinem Mann zugeben. Eigentlich sollte ja alles ganz anders ausgehen.“
„Ähm. Bevor es weitergeht. Gehen wir eben in mein kleines, bescheidenes Büro? Möchten Sie einen Kaffee?“
„Oh, ähm. Nein, danke.“

Gestern sah sie noch so anders aus. So zugeschminkt und na ja. Eben zugeschminkt. Wow. Heute ist sie nicht wiederzuerkennen. Sieht hübsch aus.
Egal jetzt. Ich hole mir eben einen Kaffee und setze mich mit Frau Steinberg in meine Ecke. Na dann, bin ich mal gespannt, was sie zu sagen hat.

„Ich sage auch dazu, dass es mir sehr leidtut. Ich wollte sie nicht in die Irre führen. Emilio hatte das missverstanden und dann hat sich ein Chaos nach dem anderen entwickelt. Eigentlich hat er damit gar nicht so wirklich zu tun. Also indirekt. Es ist kompliziert. Klingt das irgendwie komisch?“

Ich lasse sie einfach mal reden.
„Hören Sie. Mein Mann ist ein Idiot. Ja, ist er. Und dann habe ich Emilio vor einiger Zeit kennengelernt. Also nein, wir haben nichts miteinander, hihi. Also nicht falsch verstehen. Er ist nur ein guter Freund geworden, verstehen Sie? Wir haben zusammen gesungen und meinen Mann hätte er fast verprügelt und das konnte ich ja nicht zulassen und na ja. Deswegen habe ich mir was einfallen lassen und das ist eben in die Hose gegangen.“

Ich habe keine Ahnung, wovon sie da überhaupt redet. Aber ist gerade trotzdem interessant, einfach mal zuzuhören. Immerhin muss sie mir hier einiges erklären und sie weiß ja auch, warum sie hier ist.

„Also mein Mann will das immer alles so haben, wie er will. Und wenn das nicht so ist, dann schreit er rum. Was meinen Sie, warum wir so ein großes Haus haben? Pff. Marco will mich groß rausbringen und dachte, er könnte sich hinter mir ausruhen und ich wäre eine Goldmine und so. Er wollte immer mehr kaufen und bitte? Was soll ich mit dieser riesen Küche? Die brauche ich nicht. Mein Sohn wollte immer in unser altes Haus zurück. Da, wo Sie waren. Tja. Da war das Leben noch toll. Selbst Lukas musste so sein wie sein Vater. Aber er will das nicht. Na ja und dann hat Emilio eben geholfen und das war nett.“

Mir kommt das gerade so vor, als wäre ich ihr Held. Als ob sie gerade froh wäre, jemanden zu haben, wo sie sich ihr Herz ausschütten kann. Sie versucht gerade ihr ganzes Leben in fünf Minuten zu packen. Ohne Punkt und Komma. Verdammt, was hat Emilio über mich erzählt? Sie tut so, als wäre ich ihr bester Freund.
„Hören Sie. Es mag ja alles dramatisch klingen, aber Fakt ist, dass mein Sohn mit im Spiel war und das hätte mich meinen Job kosten können. Nachher hätte man noch gesagt, dass ich auch in der Sache mit verstrickt gewesen wäre. Sie hätten gleich zur Polizei gehen sollen. Das funktioniert so nicht.“

„Emilio meinte es vielleicht gut, aber das ist trotzdem Sache der Polizei. Auch wenn ihr Mann vielleicht handgreiflich geworden wäre oder so. Natürlich hätte ich Ihren Sohn gesucht, aber ....“
Mein Problem ist gerade, dass ich selbst nicht so richtig weiß, was ich sagen soll. Ich habe wieder diesen Moment, wo ich diesem Marco Handschellen anlegen würde und auf einer Seite könnte ich Emilio jetzt eine donnern. Und da habe ich immer noch nicht verstanden, was hier überhaupt abgelaufen ist. Ich werde gerade nicht schlauer.
„Sie haben eine Kindesentführung inszeniert und das könnte selbst für Sie strafbar sein. Sie haben Ihren Mann falsch beschuldigt, verstehen Sie?“

„Aber, er hat ein Bild für Sie gemalt und Lukas geht es jetzt viel besser.“

„Hat Ihr Mann denn jetzt Strafanzeige gestellt? Also gegen Sie? Wenn ja, dann haben Sie einige Probleme, auch wenn Sie zum Wohle Ihres Kindes gehandelt haben.“
„Nein. Er ist kurz danach ausgezogen, weil er sich nicht mit ihnen anlegen möchte, hihi.“
„Ähm, wie bitte?“
In dem Moment kommt Joel durch die Tür. Er hat wohl nicht dran gedacht, dass ich diesen Termin hier heute habe.

Mein Kopf ist noch matschiger, als vorher.
„Es tut mir sehr leid, dass ich Ihnen nichts anderes sagen kann. Aber Sie müssen sich auf Gegenwehr Ihres Mannes einstellen. Da kann ich Ihnen nicht bei helfen. Wir hoffen aber einfach mal, dass er die Füße stillhalten wird, da er ja auch nicht ganz unschuldig ist. Es freut mich aber, dass es Lukas jetzt besser geht. Es ist schade, wenn die Kinder schon so etwas erfahren müssen.“

„Sorry, Paps. Bin gleich wieder weg. Hast du kurz einen Tacker? Ich brauche mal einen.“
„Hey. Du bist also Emilios Bruder. Joel, richtig? Er hat mir viel von dir erzählt.“
„Äh, okay.“

Ich sitze gerade hier und alles geht wieder vorbei wie in einem Film. Manchmal habe ich immer noch das Gefühl, dass sich um mich herum alles dreht und ich selbst irgendwo hilflos in einer Blase stecke. Bin ich immer noch nicht so ganz fit? Ist es noch alles viel zu früh, wieder zu arbeiten? Ich habe keine Ahnung, was das gerade ist. Alles lief so wunderbar.

Als wäre ich traumatisiert. In einer anderen Welt. Als wäre mein Geist in einem falschen Körper. Einer anderen Identität. Und dann schaue ich Frau Steinberg wieder an und ich bin wieder da. Irgendwie.
„Ich denke, wir haben jetzt ja alles geklärt. Mir war es nur wichtig zu wissen, dass es Ihrem Sohn jetzt gutgeht und dass nichts weiter von Ihrem Mann kommt. Die Rechnung schicke ich Ihnen dann zu.“

„Und sollte noch irgendwas kommen, dann lassen Sie es mich wissen, okay? Ich muss mit Emilio dann sowieso noch ein Hühnchen rupfen, aber das ist dann nicht Ihr Problem. Haben Sie sonst noch was?“

Ich habe irgendwie gerade das Gefühl, dass ich total unprofessionell wirke. Seitdem Emily nicht mehr da ist, fühle ich mich, als wäre ich kein guter Detektiv mehr. Ich schaffe es nicht mal, meine eigenen Probleme auf die Reihe zu bekommen. Und da versuche ich es schon immer.
„Nein, ich denke, das war's.“
„Schön. Dann freut es mich, dass ich irgendwie dann ja doch helfen konnte.“

Ich muss sie definitiv schnell loswerden. Irgendwie fühle ich mich gerade total erdrückt.
„Und sollte Emilio Sie wieder zu etwas anstiften, dann wissen Sie nächstes Mal Bescheid und gehen direkt zur Polizei. Und sollte Ihr Sohn wirklich mal verschwunden sein, dann helfe ich gern bei der Suche mit. Aber das wollen wir ja jetzt nicht hoffen.“
Was rede ich hier für einen Blödsinn?

Im Flur bleiben wir noch an der Tür stehen und ich mache sie für Frau Steinberg auf.
„Schönen Tag dann noch.“

„Kann ich Ihnen denn trotzdem das Bild geben? Lukas möchte es Ihnen unbedingt geben.“
„Okay.“
Ich schaue mir das Bild an und sehe eine Sonne. Und wohl ein blondes Männchen mit einer Krone auf dem Kopf.
Frau Steinberg verlässt das Haus und ich muss lächeln, als ich mir das Bild noch einmal anschaue.
Kurz danach schaue ich in den Keller und sehe, dass Joel unsere neue Spielwiese entdeckt hat.
„Hey, echt cool hier unten. Megacool, Paps.“
„Freut mich.“
Doch jetzt muss ich mich erstmal wieder verpieseln. Was essen und dann ab auf die Couch. Dann am besten die Türklingel ausstellen und eine Decke über den Kopf ziehen. Irgendwie sowas. Was ist nur los mit mir? Ich bin einfach nicht ich selbst, auch wenn ich immer denke, dass alles wieder okay ist.

Beim Abendbrot grinst Joel immer die ganze Zeit so komisch, aber dann verzieht er wieder die Miene. Ganz komisch gerade.
„Kannst du mir mal sagen, was du hier so rumgrinst?“

„Na ja. Weil ich das Gefühl habe, dass Emilio versucht, dich mit Frau Steinberg zu verkuppeln. Soll ich ehrlich sein? Das würde ich aber uncool finden. Mam fehlt mir trotzdem.“

„Wie kommst du da denn jetzt drauf? Das ist doch Blödsinn.“
„Weil es Emilio ist, Paps.“