- Kucki 232
Folge 60 - Ein bisschen ratlos

Erste Winterwoche: Montag
Geburtstag: keiner
Event/Feiertag: keiner
Erzähler/in: Joshua
Nachdem ich das mit Marianne immer noch verarbeite, schaue ich trotzdem nach vorn. Erst dachte ich, dass könnte was Besonderes werden, aber irgendwie habe ich mich dann gefühlt, als wäre ich nur eine Nummer. Hast du den nicht, nimmst du den halt. Ich hätte es eher erkennen müssen. Deswegen hoffe ich heute umso mehr, dass sie immer noch nicht in der Schule ist.
Egal, Joshua Duvan lässt sich nicht unterkriegen. Mädels sind mir eh zu kompliziert. Lass’ ich dann und konzentriere mich auf mein Singleleben, wo ich das machen kann, was ich möchte.

Emilio geht es ja auch nicht besser. Aber so wie er aussieht, kreisen die Mädels eh schon um ihn. Und egal, was ist: Wir halten alle zusammen.
Als Madleen da so bei uns ist, müssen wir doch schmunzeln. Sie ist so voller Hoffnung. Irgendwie süß. Bei ihr dreht sich alles nur um die Rettung der Welt. Und das auf ihrem Regenbogenpferd. Ich hoffe, dass sie nie solche Niederlagen erleben muss.

Seht ihr?
„Hat Mam das vielleicht so gemacht, dass Shadow und Melody hier hinbeamen können? Hat sie sie hergezaubert?“

„Weil, das wäre so cool. Dann möchte ich sowas nämlich auch können und wäre sofort vor Ort, wo das Schlimme passiert und könnte das gleich wegmachen.“
Da muss dann auch Emilio schmunzeln. Sie muntert uns unbewusst auf. Süß.

Mam und Paps schlafen noch, als wir auf dem Weg in die Schule sind. Mein Bruder ist heute sehr ruhig. Trotzdem sehe ich ihm die Wut in den Augen an. Die Wut, irgendwas eintreten zu können. Deswegen bleibe ich heute lieber an seiner Seite.

Manchmal braucht er dann sowieso nur etwas, woran er festhalten kann und die Welt ist in diesem Moment in Ordnung.

Auch wenn es nicht lang anhält.

Wieso habe ich mich überhaupt auf Mädchen eingelassen? Sie sind mir eh zu stressig und ich möchte einfach nur meine Ruhe haben. Meine Aufgabe mit der Gruppe ist viel wichtiger. Wollte heute mal die Biologielehrerin fragen, ob sie vielleicht noch ein Mikroskop für mich hat. Meins ist kaputtgegangen. Vielleicht hab ich ja Glück. Es ist interessant, sich Pflanzenfasern und sowas anzuschauen. Manchmal sind dort interessante Muster, die ihre eigenen Geschichten erzählen.
Als ich sie frage, hat sie sogar noch eins für mich. Cool. Etwas ausrangiert, aber es ist okay. Im Lager gibt es noch viele schöne Dinge, die ich gebrauchen könnte. Sie meinte, dass ich mich ruhig mal umschauen soll.
Schließlich fragt sie mich noch, ob ich nicht unsere neue Mitschülerin etwas rumführen könnte.
Klar, warum nicht. Hab ja sonst nichts zu tun.
Als ich unten ankomme, sabbelt sie mich auch sofort zu.
„Hey, das ist eine interessante Schule. Ist es wahr, dass man hier Homeschooling machen kann? Das muss ich bestimmt auch öfter mal machen.“

„In meiner alten Schule ging sowas nicht und die war dann immer überfüllt. Platzte aus allen Nähten und Bumm.“

Später dann so:
„Als ich nämlich das eine Mal vom Klo kam, war plötzlich alles nass. Alles total unhygienisch dort. Muss dann ja auch nicht sein.“
Bis ich mir dann nicht nur überlege, wann sie denn endlich mal fertig wäre, sondern mich dann auch frage, was der Typ da vorhat? Will er das mit den Klos hier auch gleich mal ausprobieren oder was? Melde ich das lieber gleich mal den Lehrern.

Zum Glück muss ich langsam nach oben. Wird auch langsam Zeit. Meine Ohren fiepen schon so.
Und Frau Werner (fälschlicherweise habe ich sie in der einen Folge Frau Habermann genannt. So heißt die Direktorin) sieht heute ja mal richtig gutgelaunt aus. Endlich mal ein fröhliches Gesicht.

Hab mich schon gefragt, wo Emilio ist. Er und ruhig? Niemals. Muss ich mit ihm wohl mal reden. Kann doch nicht sein, dass ihn die Sache da mit Bridget nun so umhaut. Alle Mädels sind halt so.

Frau Werner schaut sich das Spektakel auch noch eine Weile an. Tja, mein Bruder dudelt da zwar nur so rum, aber irgendwie hat das ja was. Übung macht den Meister.
Ich schiele kurz zu meiner Lehrerin rüber. Warum lächelt sie so? Hab ich was gemacht?

Dann muss ich ihr doch mal ein Kompliment machen:
„Sie sehen heute gut aus, Frau Werner. Richtig schick.“
„Oh, findest du? Danke.“

Sage ja nur die Wahrheit.
Später in der Klasse ist die Stimmung ja mal so richtig Bombe. So richtig, laaaangweilig. Wenn ich dürfte, dann würde ich meine neue Errungenschaft jetzt ausprobieren und mir mal so ein Blatt Papier anschauen. Ob da auch irgendwas zu sehen ist?

In der Pause dann so:

Auch wenn Emilios Verhalten wirklich manchmal daneben ist, ist dieses Verhalten jetzt irgendwie gerade gruseliger. Er hat heute nicht mal ein Wort geredet. Kann doch nicht sein.
Ich lasse ihn aber mal machen. Muss eh noch was von unten holen und mich frischmachen.

Muss dann auch nochmal zu Frau Werner rüber. Der andere Lehrer von hier unten ist richtig mit ihr am Flirten. Da läuft garantiert was. Aber interessiert mich jetzt gerade nicht.
„Äh, Frau Werner? Ich ....!“
„Wir treffen uns nachher und dann führe ich dich zum Kaffee aus.“

Auf einer Seite finde ich sie ja irgendwie auch hübsch. Sie ist älter und reifer und nicht so kindisch wie welche in meinem Alter, das muss ich ja gestehen. Aber nein. Meine Freundin ist und bleibt der Pfadfinderverein. Das hat mir Marianne jetzt auch mehr als bestätigt.
In der Mensa treffe ich Emilio in der hintersten Ecke. Ne, da muss ich was machen. So als großer Bruder ist es meine Aufgabe für Frieden und Wohlstand zu sorgen, oder wie das heißt.

Ich setze mich zu ihm und versuche mal was Positives zu sagen:
„Du spielst mittlerweile gut. Vor ein paar Tagen war es nur Geklimper, aber langsam kommen da richtige Melodien raus. Nicht schlecht.“

„Meinst du? Ich finde, ich spiele noch überhaupt nicht gut. Bin aber am überlegen, in den Musikkurs zu gehen. Wär doch geil.“
Ui, er redet.
„Aber du. Ich werde draußen noch ein paar Körbe werfen. Kein Bock grad in dem scheiß Laden hier zu sitzen.“
Ist ja nicht so, dass es draußen ordentlich geschneit hat und es jetzt richtig kalt ist. Obwohl, ich habe mir sagen lassen, dass man bei dem Wetter erst recht Sport machen soll. Emilio ist richtig fit. Aber auch gerade richtig schnell, um in die Kabine zu gehen, umzuziehen und ab nach draußen zu rennen.

Und auf in die nächste Runde. Der Tag ist irgendwie total öde. Die Stimmung ist im Keller und keiner da, mit dem man mal ordentlich quatschen kann. Jetzt wünsche ich mir meine Kinder hierher. Sie haben immer Fragen. Egal, wie blöd sie sind, sie fragen und fragen und ich weiß Antworten drauf. Warum haben einige Schmetterlinge Augen auf dem Rücken? Warum können Pilze giftig sein? Wieso ist Gras grün?

Kurz nach Schulschluss kommt der Lehrer von unten direkt zu mir und sagt mir:
„Hey, du bewegst dich auf dünnem Eis, mein Junge. Egal, was du da vorhast: Lass es. Und das ist jetzt nur gerade von Lehrer zu Schüler gesagt, okay?“

Was will der denn jetzt von mir? Hat der etwa auch schlechte Laune?
Sei es drum, denn ich habe Schulschluss und freue mich darauf, nach Hause zu gehen und dieses Mikroskop auszuprobieren.
Sven ist sogar zu Besuch.
„Hey, Großer. Wie war dein Tag?“
„Geht so.“
„Magst du mir nicht erzählen, warum?“

Ihm kann ich das ja ruhig mit Marianne erzählen. Ein bisschen hat er ja auch schon mitbekommen, denke ich mal. Selbst Paps ist erstaunt darüber, was ich da so alles lasse.
„Tja, und dann hat sie mir gesagt, dass sie schon 6 Jungs hatte.“

Selbst Emilio gesellt sich dazu und schüttet unserem Opa sein Herz aus.
„Wusste ja nicht, dass sie mit Nico verheiratet ist. Ey, das kann's nicht sein.“
Tja, wir Teenies haben echt so unsere Probleme. Schlimm, oder?

Und dann kommt auch noch Madleen mit dazu.
„Hallo, Opa. Ich hab dir soooo viel zu erzählen.“

„Wusstest du, dass Einhörner überhaupt nicht fliegen und wir zaubern können?“

Es klingelt an der Tür und ich sehe, dass ein Mädchen meines Alters dort steht. Wer ist das denn jetzt schon wieder?
„Hi, ich bin Veronikas Schwester und sie hat mir viel von dir erzählt. Jetzt war ich mal neugierig und wollte selbst vorbeikommen.“

„Äh, ja. Komm doch rein.“
Wir gehen also in den Flur.
„Meine Schwester redet wirklich viel über dich. Stimmt das, dass du im Pfadfinderverein bist? Ist ja interessant.“
Ich nicke einfach immer nur, denn ich weiß nicht, was hier heute los ist. Irgendwie labern mich alle voll und das überfordert mich dann doch ein bisschen. Kann mir ja auch nicht alles merken.
„Ach, und mein Name ist übrigens Alina.“

Mir geht nämlich eigentlich die ganze Zeit durch den Kopf, was der Lehrer da von mir wollte. Soll ich jetzt Angst bekommen? Dürfen Lehrer sowas überhaupt?
Ich stelle Alina der Familie vor, nachdem wir ins Wohnzimmer gegangen sind.
„Also, ich habe letztens einen toten Käfer untersucht. Ich erforsche im Moment, warum sie kein rotes Blut haben, sondern eher so schleimig innen drin sind.“

„Veronika hat mir schon erzählt, dass du viel in der Natur unterwegs bist. Finde ich schön.“
„Echt?“

„Ja, stell dir vor. Ich mache das auch ganz gerne. Einfach mal durch den Wald gehen und mir das Vogelgezwitscher anhören. Das hört sich im Frühling total schön an.“

Die anderen wollen anfangen zu essen, aber das ist gerade so spannend mit Alina. Ich sage ihnen, dass sie schon anfangen können.
„Wir haben eine Amsel im Garten, die richtig zutraulich ist.“

„Amseln sind toll. Wenn sie Gefahr wittern, dann meckern sie immer so lustig. Kann manchmal ganz schön nervtötend sein, wenn man so am Schlafen ist und das Männchen meckert rum. Dann gucke ich immer nach.“

„Ist dir schon mal aufgefallen, dass sich Rotkehlchen anhören, wie ein Maschinengewehr, wenn sie ihren Warnruf machen?“
„Echt? Das ist ja witzig.“

Und so geht das die ganze Zeit. Ein Mädchen, was sich für die Natur interessiert. Cool. Vielleicht möchte sie ja bei uns mitmachen. Es gibt bei uns viele Vögel im Wald. Ich finde das ja selbst schön. Einfach nur draußen liegen und sich das süße Gepiepse anhören.
Trotzdem muss ich jetzt erstmal essen. Die anderen sind zwar schon fertig, aber was soll's?

Sven wollte auch gar nicht so lange bleiben und hat sich total verquatscht.

So sehr verquatscht, dass sogar Tanya vorbeikommt und fragt, ob er denn noch bei uns ist. Und wenn sie schon mal hier ist, kann man auch noch ordentlich knuddeln.

Sie bleibt auch noch eine Weile und selbst mit Alina wird es später. Wir haben viele Themen, über die wir reden. Ich erzähle ihr von meinem Verein, was sie anscheinend wirklich sehr interessant findet.
