- Kucki 232
Folge 65 - Anders

Boah, geht mir Emily wieder auf den Sender. Was will sie eigentlich noch? Ihre Annäherungsversuche widern mich an. Das versuche ich ihr ja klarzumachen, aber ich weiß einfach nicht, wie ich es ausdrücken soll. Ich werde dahinterkommen, was hier passiert ist, aber wie kann ich noch mit einer Frau zusammen sein, die fremdgegangen ist? Man. Es ist so kompliziert. So verwirrend. Mir egal.
Ich gehe nämlich jetzt mal etwas tun, was ich so noch nie getan habe. In einen Nachtclub. Jawoll. Da kann Emily nichts gegen tun. Sie wollte doch eh immer mehr Zeit mit Michelle verbringen. Jetzt hat sie die Gelegenheit zu. Ich bin weg und hoffe, dass ich sie heute nicht mehr ertragen muss. Je mehr sie mir erzählt hat, desto mehr wurde mir klar, dass ich nichts mehr von dieser Frau wissen will.

Heute mache ich mal was komplett anderes. Ist doch toll. Einfach so. Vielleicht haben sie ja meinen Lieblingswein. Emilio hat mir gesagt, dass er hier öfter mal Gitarre spielt. Es wird Zeit, seinem Sohn beim Spielen zuzuschauen. Weiß nur nicht, ob er heute auch hier ist.

Wahnsinn, dass ich sowas überhaupt mache. Hätte ich Emily davon erzählt, wäre sie mir nur hinterhergekommen. Nö. Also setze ich mich an den Tresen und genieße meine Freiheit.

„Haben sie vielleicht den 1950er da?“
Ja, ein edler Wein, aber ich liebe ihn. Heute muss das einfach mal sein. Passt schon. Habe ihn schon lange nicht mehr getrunken. Gut. 250 Simoleons sind nicht gerade ein Schnäppchen.

Ich trinke jetzt einfach auf meine Emily-freie-Zeit.

Vielleicht komme ich ja jetzt öfter mal her, um mich zu entspannen. Natürlich habe ich noch Michelle. Aber vielleicht möchte ja Katharina wirklich mal öfter zu uns kommen und auf die Kleine aufpassen. Für sie ist das doch schönes Taschengeld.
Langsam verliere ich mich in meinen Gedanken und überlege, was ich so alles machen könnte. Mit den Kindern in den Urlaub fahren? Wäre wirklich mal Zeit.

Später sehe ich eine verängstigte Frau. Aber okay. Mir heute egal. Ich möchte etwas Spaß haben. Nein, nicht unbedingt Spaß. Aber eben etwas Ablenkung.

Ich genieße jetzt nämlich erstmal meinen 1950er. So lecker.

Bis mich die Frau neben mir anspricht.
„Hallo, Herr Duvan. Es wundert mich, dass Sie hier sind.“
Bei näherer Betrachtung sehe ich, dass es Frau Steinberg ist. Oh, stimmt. Sie singt ja hier öfter mit meinem Sohn. Hatte er mir auch mal erzählt. Ja, gut. Warum nicht?

Und dann fängt sie an, zu erzählen.
„Meinem Sohn geht es immer besser. Er ist Ihnen immer noch so dankbar und möchte Sie gern mal besuchen. Unser Umzug geht auch super voran. Es ist ein neues Leben, dank Ihnen.“
Und ich frage mich immer noch, was ich da jetzt groß gemacht haben soll?

„Und ähm.“
Funkstille. Okay, ich habe bislang auch noch nichts gesagt. Einfach mal zuhören. Was soll ich denn auch schon groß sagen?

Nun ja.

Sie erzählt mir, dass sie gleich noch etwas hier proben möchte und ihr Lied doof ist und ihr einfach nichts einfällt.

„Okay, hihi. Sie sind ja sehr gesprächig, Herr Duvan. Okay, auch gut. Kein Ding. Ich muss jetzt eh etwas proben. Vielleicht mögen Sie ja zuschauen.“

Das witzige ist, dass ich gerade wirklich gedankenlos bin. Eben fressen mich meine Gedanken noch auf und ich wusste nicht, wohin damit und dann spricht diese Frau mit mir und plötzlich ist alles still im Kopf. Ich gehe erstmal aufs Klo, um meine Gedanken zu sortieren. Es fühlt sich gerade wirklich sehr komisch alles an.
Als ich wiederkomme, sitzt Frau Steinberg auf einem Barhocker und spielt eine Melodie. Dazu summt sie.

Das hört sich wirklich wundervoll an.

Die Stimmen im Hintergrund verblassen immer mehr. Ich verliere mich total in dieser Melodie. Wunderschön. Was passiert hier? Was ist los mit mir? Ich habe noch kein einziges Wort gesagt, aber seit sie hier ist, fühle ich mich irgendwie wohl.

Ich bemerke nicht mal, wie die Pyramide mit Karamell-Soße gefüllt wird. Wow. Diese Stimme. Keine Ahnung, aber sie summt wie ein Engel. Ob sie auch so singt? Oder ist es eher der Wein, der mich gerade etwas umhaut? Hat der so zugeschlagen? Jetzt schon?

Ich glaube, ich setze mich lieber wieder an den Tresen. Es wird langsam auch immer voller hier. Hier hinten ist es noch sehr ruhig, was aber auch gut so ist.
„Wie lange singen Sie schon? Das hört sich toll an.“
Habe ich das gerade wirklich gesagt?

Und dann schaue ich sie nur an und sie mich. Jetzt fehlt nur noch die Antwort.

„Mein Vater war Musiker und ich habe früh mit dem Singen angefangen. Es macht Spaß und befreit meine Seele.“
„Okay, toll.“
Und wieder schauen wir uns nur an.
Bis ich anfange, sogar etwas aufzutauen. Ich bestelle mir noch einen Drink. Nein, diesmal nicht dieses teure Zeug. Und plötzlich fange ich an, zu lachen. Die Zeit vergeht auf einmal so schnell. Wir lachen und ich erfahre, dass sie 29 Jahre alt ist. Wo sie zur Schule gegangen ist und nun ja. Wir haben einfach Spaß.
„Und dann sagte der Mann zu mir, ich solle doch bitte aufhören zu singen. Das würde sich wie ein verstopftes Rohr anhören, hihi.“

Was noch viel krasser ist, ist, dass ich mich dazu bewegen lasse, dieses komische Ding auszuprobieren. Frau Steinberg meint, dass sie das auch gern mit Emilio macht. Aber ganz ehrlich? Das ist nichts für mich. Trotzdem muss ich immer wieder lachen und das tut mir sehr gut.
„Hust, hust. Was bitte ist das?“

Sie lacht sich total schlapp und schließlich muss ich das auch. Bis wieder Ruhe einkehrt. Ich bemerke immer mehr, dass Frau Steinberg irgendwie anders ist. So einen Spaß hatte ich noch nie in meinem Leben. Selbst mit Emily nicht. Ich habe gerade das Gefühl, dass ich die ersten 37 Jahre meines Lebens total verschwendet habe.

„Wussten Sie, dass Pferde sprechen können? Ich mein, ich versteh´ diese Witze nicht, wenn ein Pferd in eine Bar kommt. Trotzdem können Pferde sprechen. Alle Tiere doch eigentlich, aber wir verstehen es nur nicht. Die Sprache nennt sich bestimmt pferdisch.“
„Äh, ja. Definitiv.“
Ich muss immer und immer wieder schmunzeln.


Plötzlich bin ich ein anderer Sim. Ein Sim der Spaß hat und diesen Abend am liebsten nie enden lassen würde. So bestelle ich uns noch einen Drink.
„Ja, es war damals schon nicht leicht. Wir lebten auf dem Bauernhof. Aber es ist ein schönes Leben. Nur eben anstrengend.“

Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist, aber das ist mir egal. Frau Steinberg und ich setzen uns um.

Um mich herum verschwimmt alles und Stunden werden zu Minuten. Aber auch das ist mir egal.
„Sie können schön singen. Äh, summen. Ehrlich.“

Sie lächelt mich an und scheint nicht so wirklich zu wissen, was sie darauf sagen soll. Das musste ich einfach mal sagen, weil es so ist.
Bis dann wieder die nächsten Witze fallen.
„Haha, der war gut. Echt. Auf sowas würde ich nie kommen.“

Und der nächste. Ich habe schon Bauchschmerzen vor lauter Lachen. Das wird bestimmt Muskelkater geben.

Ja, ich muss gestehen, dass ich langsam ein bisschen angeheitert bin und mir vielleicht auch gar nicht bewusst ist, dass ich Frau Steinberg einfach nur noch anstarre. Ist mir aber auch gerade egal. Ich mach’ das jetzt einfach so. Sie ist wirklich sehr hübsch und ihre Augen sind wundervoll groß. Richtige Rehaugen. Und wenn sie lacht, hat sie Grübchen. Sie ist ein ganz anderer Schlag als Emily. Aber warum ziehe ich jetzt Vergleiche?

Ich bekomme so einigermaßen im Hintergrund mit, wie sich mein ältester Sohn auf einen der freien Plätze setzt.
„Hey, was macht ihr denn hier, Alter? Voll der krasse Scheiß. Habt ihr ’nen Date oder so?“
„Was bitte, Emilio? Ein Date mit deinem Vater? Wie bitte? Äh.“

„Alter, ich find’ das voll cool. Hat das ja was gebracht, was?“
Der Spaß, der hier bislang herrschte, ist abrupt zu Ende. Plötzlich bin ich wieder klar im Kopf und frage mich langsam, was ich hier überhaupt mache? Was denkt Emilio von mir?

Ich muss hier ganz schnell weg.
„Tut mir leid. Ich muss los. Auf Wiedersehen, Frau Steinberg.“

Als ich nach oben gehe, höre ich sie nur von hinten rufen.
„Warten Sie doch mal bitte, Herr Duvan. Bitte.“
Ich denke gar nicht daran.

„Ich habe noch nie so viel gelacht, wie heute. Das hat mir sehr gutgetan. Wirklich“, sagt sie etwas leiser, als sie mich eingeholt hat. Abrupt bleibe ich stehen und schaue nach hinten.

„Ihr Sohn hat recht. Sie sind wirklich ein netter Mann und ....“
Ich drehe mich um.
„Es war wirklich ein schöner Abend.“

„Es tut mir aber auch leid. Ich hätte das nicht tun sollen, weil ich ja weiß, dass Sie in Scheidung leben und ganz andere Probleme haben und .... Ach, ich bin ruhig. Entschuldigung.“

„Kein Problem. Ich gehe dann.“
Trotzdem muss ich mich nochmal kurz umdrehen. Was auch immer hier gerade passiert: Es hat mich für einen Abend komplett aus den Fugen gerissen und verändert. Ich hatte das erste Mal in meinem Leben wirklich Spaß. Das macht mir Angst.
Und weg bin ich.
