- Kucki 232
Folge 69 - Der Vergangenheit auf der Spur (Teil 2)

Okay, ich sitze hier und bewege mich kein Stück. Sämtliche Szenarien gehen mir gerade durch den Kopf. Aber eigentlich warte ich auch nur darauf, dass er endlich mal anfängt zu reden.

Der Mann schaut sich um und geht sicher, ob auch keiner zuhören kann. Wer weiß auch, was jetzt kommt? Er hat den Ort doch ausgesucht.
„Weißt du, dass du mich gerade nervös machst, wenn du mich die ganze Zeit so anstarrst?“

Da lasse ich mich jetzt sowieso nicht von beirren. Soll er einfach loslegen und gut.
„Okay, alles klar. Dann ähm. Erzähle ich wohl mal, was?“
Nochmals schaut er sich um, bevor er dann endlich mal anfängt zu reden.
„Mein Name ist Sven und nun ja. Etwas kompliziert gerade, aber ich haue es einfach frei raus: Du bist die ganzen Jahre bei meinem Bruder aufgewachsen, da deine Mutter und ich nicht in der Lage waren, dich großzuziehen. Okay. Das schon mal als Anfang.“

Als er bemerkt, dass ich ihn immer noch so starr anschaue, wird er immer nervöser. Was redet er da für einen Mist?
„Ähm, nun gut. Ich äh. Wow. Du guckst echt fies. Alles klar. Deine Mutter und ich waren 14 und ein bisschen zu jung, verstehst du? Also hat sich David um dich gekümmert, damit du ein schönes Leben haben konntest und ähm ja ....“

„Sebastian, also Jimmy, ist vier Jahre nach dir auf die Welt gekommen und er ist bei uns aufgewachsen. Er ist dein richtiger Bruder. Es tut mir leid, dass ich dir das jetzt so auf den Tisch haue, aber gerade mit dir hier zu sitzen, ist ein harter Brocken. Nur, seitdem das mit meinem Enkel war, musste ich doch langsam was machen. Ich wollte dich die ganze Zeit beschützen. Du hast dieses Leben nicht verdient. Jimmy hat von dir Wind bekommen und sah es nicht ein, dass er so ein grässliches Leben hatte und du total glücklich bist und da ähm …“
„Moment. Sie wollen mir gerade erzählen, dass Sie mein Vater sind und Jimmy der Übeltäter ist, der meine Familie zerstören wollte?“

„Wollen Sie mich verarschen?“

„Ja, ja. Ich wusste eigentlich, dass das kommt.“

Schließlich stehe ich dann auch auf. Ich will das gerade nicht hören, auch wenn da vielleicht was dran wäre. Hinkommen könnte es ja. Doch warum jetzt? Es ist eh schon alles so viel für mich. Kann das nicht alles einfach mal abgehakt werden? Plötzlich ist David nicht mehr mein Vater? Es kommt ein fremder Mann in mein Leben, der behauptet, mein Vater zu sein und Jimmy, der eigentlich ein guter Freund war, soll mir mein Leben zur Hölle gemacht haben?
Nein, heute nicht. Das ist zu viel.

Ich bleibe kurz vor ihm stehen. Schweige aber. Auch dieser Sven weiß gar nicht so richtig, was er sagen soll. Keine Ahnung, was ich noch glauben soll.

„Hör zu. Es tut mir sehr leid, aber auch auf mir liegt eine schlimme Last. Ich muss dir einfach noch zu viel erzählen und habe einen blöden Zeitpunkt erwischt. Was ich dir aber sagen kann ist, dass ich Jimmy nicht umbringen wollte. Es war Notwehr. Wirklich. Wir haben uns gestritten. Jimmy war gerade dabei, dich anzurufen. Er wollte, dass du in den Park kommst. Um. Nun ja. Das konnte ich nicht zulassen und eine Rangelei ging los.“
Sven spricht sehr leise und schaut sich immer wieder um.

„Ich werde das auch alles der Polizei sagen. Und wenn du mir nicht glaubst, kannst du ja Alex anrufen. Er ist jetzt mein Anwalt. Und nein, er wusste bislang von nichts.“
Äh, Alex? Was hat Alex damit zu tun? Denke ich mir jetzt nur. Weiterhin stehe ich nur da und höre ihm zu. Ich versteh’ trotzdem nicht so richtig, was hier gerade los ist. Plötzlich kommt jemand daher und will mal eben den ganzen Fall aufdecken?

Diese Situation fühlt sich gerade so unwirklich an. Es ist in den letzten Wochen so viel passiert und plötzlich soll sich meine ganze Vergangenheit verdrehen? Mal eben so? Wehe dem Sven, er lügt. Also kann ich nur eines machen: Alex anrufen und nachfragen.
Ich bin erstaunt darüber, dass er alles bestätigt.
„Okay, danke. Ich melde mich später bei dir. Jetzt habe ich doch einige Fragen.“

Ich bin sowieso schon so angespannt. Habe einen Kloß im Hals und sowas. Mir fehlen die Worte. Keine Ahnung. Es ist gerade unbeschreiblich. Ab und zu versuchen sogar Tränen durchzukommen. Obwohl ich kaum was von dem registriert habe, was mit dieser Mann gesagt hat.

Trotzdem versuche ich mich zusammenzureißen und setze mich nochmal hin. Auch ich sehe aber zu, so leise wie möglich zu sprechen. Einfach unauffällig bleiben.
„Sie kommen mal eben daher und behaupten mein Vater zu sein? Sie behaupten Jimmy aus Notwehr getötet zu haben, um mich zu beschützen? Sie wollten mich mein ganzes Leben lang beschützen? Was zum Geier ist mit Ihnen los? Vielleicht glaubt das ja Alex, aber sorry. Mir ist das gerade zu viel.“

„Ich würde gerne nochmal mit dir in Ruhe über alles reden, wenn du denn willst. Heute wollte ich nur sichergehen, dass du wenigstens schon weißt, dass ich Jimmy nicht umbringen wollte und warum das alles passiert ist. Es gibt aber noch so viele Details. Vielleicht wäre es aber auch besser, wenn du sie erst gar nicht erfährst. Es tut mir leid, dass ich jetzt erst damit um die Ecke komme. Dafür gibt es einen Grund, okay?“

„Ich wollte das auch gar nicht alles so raushauen. Plötzlich sitzt du vor mir und alles kam rausgeschossen. Gut, in sowas war ich nie gut. Tut mir leid.“
Ich stehe wieder auf und schaue ihn an. Wieder dieses Gefühl. Selbst tief durchatmen hilft gerade nicht.
„Das muss ich erstmal verdauen. Wenn ich dem nachgegangen bin und sehe, dass Sie recht haben, dann melde ich mich bei Ihnen. Sollten Sie aber lügen, dann können Sie sich auf was gefasst machen.“
Anschließend verlasse ich das Café und schaue nochmal kurz rein. Gerade ist mein Kopf so leer. Das war zu viel.

Doch lange will ich nicht warten. Ich muss wissen, was dran ist.