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  • Kucki 232

Folge 96 - Raus mit der Sprache


 

Zweite Sommerwoche: Freitag

Geburtstag: keiner

Event/Feiertag: keiner

Erzähler/in: Emily

 

Hm. Seit gestern ist mein Sohn irgendwie anders. Was ist passiert? Ist ihm der Umzug doch etwas zu stressig? Ja, ich muss zugeben, dass es langsam mal Zeit wird, dass wir nach drüben ziehen können, aber Nadines Firma tut schon alles. Der Grundriss steht zwar mittlerweile, aber in diese Baustelle wollen wir noch nicht ziehen. Also heißt es weiter in diesem kleinen Häuschen auskommen. Hätten wir wenigstens schon einen Fernseher. Mussten ja alles verkaufen, damit wir uns den Bau leisten können. Und dann waren da noch die Rechnungen.

Wie dem auch sei: Joel geht es nicht gut und da kümmere ich mich mal drum.

Er fragt mich auch, ob er heute zuhause bleiben kann und das ist okay. Joel meint, dass er sich heute Nacht übergeben musste. Okay. Also schwanger scheint er dann ja nicht zu sein, hihi.

Ich hole mir was zu essen und geselle mich wieder zu ihm. Die anderen sind bereits in der Schule. Doch redet er kein Wort.

„Also. Raus mit der Sprache. Was ist los? Du siehst nicht gerade aus, als hättest du Grippe oder so.“

„Hm? Mam, ne. Ich. Ich fühl’ mich nur nicht gut, okay?“

„Alles cool. Siehst du?“

„Na, wenn alles cool ist, dann kannst du ja in die Schule gehen.“

„Hmpf.“

Marc wundert es auch langsam, was mit ihm los ist. Er ist zwar schon sehr ruhig, aber niemals so niedergeschlagen. Mit ihm ist ja gar nichts los.

„Hey. Wir sind doch deine Eltern. Du kannst doch sagen, wenn du ein Problem hast. Ist es wegen des Umzuges? Es wird bald besser und ihr bekommt eure eigenen Zimmer. Habe ja mit Nadine schon gesprochen.“

„Nein, okay? Es ist nicht deswegen, okay?“

Jetzt wird er aber doch etwas pampig. Meine Güte. Als wäre es falsch reden zu wollen.

„Hör mal zu. Wir wollen dir doch absolut nichts Böses und möchten doch auch nur, dass es dir gutgeht. Ich möchte, dass es euch allen gutgeht. Ja, es ist gerade etwas schwierig, aber bis zum Herbst wird es besser. Deswegen komm jetzt erstmal her und lass dich knuddeln.“

„Ja, Mam. Sorry. Hab´ euch doch lieb.“

„Wie wäre es, wenn wir Joshi und den kleinen Maximilian besuchen? So kommen wir auch mal etwas auf andere Gedanken. Wollen wir?“

„Okay, cool. Ja, klingt gut. Ich mache nur eben Jingles fertig.“

Ich warte derweil mit Marc am Eingang.

„Ich weiß nicht, was mit dem Jungen ist. Langsam habe ich sowieso das Gefühl, dass die Stimmung immer mieser wird. Wir müssen da unbedingt was machen.“

Aber ich sehe, dass sich Joel wirklich mies fühlt. Also da ist noch irgendwas anderes, ja. Aber ich sehe doch, wenn mein Kind kränkelt. Gehen wir nachher noch zur Apotheke und dann soll er sich auskurieren. Ich hoffe aber, dass er mir bald erzählt, was los ist. Das mit Melody nimmt ihn ein bisschen zu sehr mit, habe ich das Gefühl. Soll er doch einfach mit ihr reden und gut.


*****


Wir gehen ungefähr eine dreiviertel Stunde hierher. Selbst in Henford ist es gerade noch richtig heiß. Zwischendurch müssen wir doch echt mal irgendwo rein und uns was Kühles holen. Aber alles gut. Ich sehe gleich meinen kleinen Enkel. Bin total aufgeregt.

Und da sind wir. Sieht ja wirklich sehr schön hier aus. Typisch Joshi, hihi.

Habe ihn vorhin auch schon angeschrieben. Also da sollte er sein. Klopf, klopf.

Joshi öffnet und ich falle fast vom Glauben ab, wie schön er es hier doch hat. Klein aber oho. Wow. Wenn es meinen Kindern gutgeht, dann geht es mir auch gut. Toll. Muss mich erstmal umschauen.

„Hey, Großer.“

„Hey, Paps. Na.“

„Hey Bruderherz.“

Ah, wie praktisch. Joshi hat gerade die Flasche fertig, hihi. Schnell mal schnappen und schwups nach oben. Der kleine Pupsi wartet, hihi. Hach, ganz schnell hoch. Er wartet nämlich schon auf seine Lieblingsoma. Ganz bestimmt.

Oooooh, wie süß. Hach, er kommt total nach mir und so. Das sehe ich schon, hihi.

„Hach, bist du goldig. Na, kleiner, süßer Spatz? Ich könnte dich den ganzen Tag knuddeln.“

„Später kommst du dann immer zu mir und dann backe ich dir einen Kuchen. Und Kekse, wenn du magst. Dann kommst du immer zum Spielen rum. Wäre das was?“

„Du bist sooo süß und tutsi täschtel, hihi.“

„Ähm. Emily?“

„Ja, tut mir leid, hihi. Aber guck doch mal, diese kleinen Füßchen, hihi. Und diese Fingerchen und ... hach.“

„Äh, ja. Süß.“

„Dann komm erstmal her, mein süßer Blondschopf, hihi. Immerhin sind wir jetzt Großeltern von diesem süßen Pupsi da, hihi.“

Als Marc dann den Kleinen noch aus seiner Wiege nimmt, bin ich hin und weg. Das ist so goldig.

„Und du kommst jetzt erstmal her, mein kleiner Bio-Sohn, hihi. Hast es dir ja hier richtig schön eingerichtet. Richtig gemütlich. Toll. Ich bin begeistert.“

„Danke, Mam.“

„Aber ich hoffe, euch geht es gut in Brindleton. Das ist ja nicht so schön, ihr da in dem kleinen Häuschen. Wenn ich könnte, würde ich euch helfen, aber ich habe so viel zu tun. Es tut mir leid.“

„Nein, alles gut. Es ist zwar im Moment alles etwas komplizierter, aber wir schaffen das schon. Und dann schmeißen wir eine riesen Einweihungsparty.“

Ich drehe mich um und sehe Joel mit dem Kleinen. Hach, das ist genauso putzig. Wenigstens kann er jetzt mal kurz lächeln.

„Hey, warte. Ich zeig’ dir, wie man ihn richtig hält. Schau. So. Der Kopf muss gerade im Arm liegen.“

„Oh, okay. Alles klar.“

Schließlich gehen wir nach unten und ich muss echt sagen: Hier würde ich auch gern wohnen. Einfach nur die Natur genießen. Da hat mein Sohn schon eine gute Wahl getroffen.

„Wollt ihr noch was trinken? Habe nur leider noch nichts Besonderes, außer Wasser.“

Alina gesellt sich mit zu uns. Ihr geht es heute auch nicht so gut, sagt sie. Schüttelfrost und Fieber. Na, dann bleiben wir wohl doch lieber nicht so lange. Nachher stecken wir uns alle an. Wäre etwas doof jetzt. Nachher ist Joel dann auch schon krank und so. Oh, ne. Aber wenn ich ihn mir so anschaue, denke ich, er hat was ganz anderes.

Er ist absolut nicht da.

„Hey, wenn ihr noch Wasser wollt, dann sagt Bescheid. Die Leitungen sind hier besonders sauber, weil es aus einem kleinen Felsvorsprung gezogen wird. Klareres Wasser findet man so nicht. Nur im Norden. Der Naturschutz ist hier besonders aktiv und auch seltene Schmetterlinge habe ich schon gesichtet.“

Aber ich denke eher, dass wir für heute abbrechen. Es macht so keinen Sinn. Was ist nur mit meinem Sohn los?

Deswegen werde ich eben noch meinen weltschönsten, süßesten und knuffeligsten Enkel so richtig durchknuddeln und liebhaben und sagen, dass ich die weltbeste Oma überhaupt bin und dann werde ich gehen, hihi. Nächstes Mal bringe ich dem kleinen Fratz aber noch ganz viel Spielzeug mit.

„So du kleiner süßer Stinker. Bis zum nächsten Mal.“

Und schließlich verabschiede ich mich von meinem ältesten Sohn. Er hat es so schön hier. Hier würde ich gern mal Urlaub machen.

„Mach's gut, Großer. Und mach dir keinen Kopf. Es wird bald besser.“

„Alles klar, Mam. Kommt gut nach Hause.“


*****


Als wir nach Hause kommen, packt die Baufirma auch gerade zusammen. Immerhin können wir jetzt schon mal Wäsche waschen und vernünftig duschen. Das ist auch schon viel wert.

Und dann wäre ja dieses Problem hier noch.


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