- Kucki 232
Folge 99 - Gefühlschaos

Erste Herbstwoche: Montag
Geburtstag: keiner
Event/Feiertag: keiner
Erzähler/in: Joel
Ja, es ist mir jetzt absolut klar: Ich möchte Melody vergessen und neu anfangen. Ihr scheint es ja jetzt auch egal zu sein, mit mir zu reden. Also lasse ich es ganz. Warum schmerzt die Wahrheit so? Sie hätte sich doch mit mir zusammensetzen können, um eine Lösung zu finden. Soll ich ihr ewig einen vormachen?
Auf jeden Fall bin ich jetzt so richtig erleichtert. Vielleicht gehe ich heute ja auch mal in den Problem-Park und Mira ist dort. Melody hat es nie geschafft, mir mal Komplimente zu machen, obwohl ich ihr immer gesagt habe, wie süß sie ist. Das ging letztens runter wie Butter, was Mira gesagt hatte.
Und dann sehe ich auch noch, dass Madleen richtig gute Laune hat. Vielleicht hat sie ja dieselben Gedanken wie ich. Beide wollen nach vorn schauen.

„Was ist los mit dir, Schwesterherz? Du strahlst so. Finde ich schön.“

„Wir müssen eben einfach nach vorn schauen. Was verpassen wir sonst alles im Leben?“
Und was ich dann so richtig cool finde, ist, dass Emilio sich plötzlich Jingles schnappt und Joggen geht. Gerade Emilio hatte immer Zweifel an meinem Hund. Bellt und kackt und stinkt, meint er immer.

So, aber erstmal auf in die Schule. Und dann gehe ich in den Park. Ich möchte Mira näher kennenlernen. Sie scheint ja wirklich viele Sorgen zu haben. Das ist traurig. Vielleicht kann ich ihr ja helfen. Für sie da sein und so.

*****
Die Schule war heute recht langweilig. Bis sowieso meinen Geschwistern und mir eine miese Nachricht geschickt wurde: Onkel Phillip ist verstorben. Letztens schon erst Tante Samira, aber mit ihr hatten wir leider nicht so viel Kontakt. Es ist sehr schade. Mam war zwar auf ihrer Beerdigung, aber an uns ging das alles total vorbei. Aber bei Phillip denke ich schon wieder anders. Menno. Jetzt muss ich erst recht in den Park. Nach Hause kann ich noch nicht.

Verdammt. Wo soll ich nur hin mit meinen Gedanken? Das reinste durcheinander. Heute Morgen total happy und jetzt könnte ich nur noch heulen.

Gestern Abend war er doch noch zu Besuch. Und plötzlich ist er nicht mehr.
Ich setze mich auf eine Bank und halte Ausschau. Ein paar übliche Verdächtige sind wieder hier. Sogar Jimmy. Der arme Kerl wohnt hier wohl.

Mein Handy klingelt. Es ist Mam.
„Ja, sorry. Ich komm’ bald nach Hause. Ich brauche gerade nur noch frische Luft. Bin bald da. Ja, Mam. Alles gut. Zum Essen bin ich da. Tut mir leid. Er fehlt mir auch so. Ja. Bis später.“
Sie ist fix und alle. All ihre Geschwister sind nun fort.

Drüben sehe ich eine Frau, die auf der Bank schläft. Ob sie sich dem Problem-Park auch anschließt? Welches Schicksal muss einen ereilen, dass man hier immer bleibt? Manchmal ist doch alles sehr grausam.

Hmpf.

Ich schaue mich etwas um und denke zurück. Zurück an meine unbeschwerte Zeit. Hier habe ich einfach nur gespielt und mein Leben gelebt. Und jetzt? Umzingelt von Trauer, Erinnerungen, Kummer und Liebe.

Und dann kommt sie: Mira. Das Mädchen, was findet, dass ich schöne Augen habe. Ein bisschen werde ich doch nervös jetzt. Vielleicht mache ich ihr jetzt auch einfach ein Kompliment. Ja, ich muss gestehen, dass sie hübsch ist. Und nett.

„Hey, wen haben wir denn da? Der Blondie mit den hübschen Augen. Na du.“
Sie stellt ihr Fahrrad sofort ab. Aber irgendwas ist auch mit ihr. Kurz schaut sie mich an und lächelt. Dann scheint auch sie wieder in Kummer zu verfallen.


Wir schauen uns nur an.


„Dir scheint es ja auch in letzter Zeit immer schlechter zu gehen. Dann können wir uns ja zusammentun. Was hältst du davon? Erzähl! Was ist bei dir los?“

„Mein Onkel ist heute verstorben. Er war ein netter Kerl. Aber ich habe mir jetzt vorgenommen, nach vorn zu schauen. Das Leben ist zu kurz, um es einfach so wegzuschmeißen, oder?“

„Und sag´. Warum bist du immer hier?“
„Hm. Meine Schwester ist verstorben. Wir waren ein Herz und eine Seele. Seitdem habe ich das Gefühl, mir fällt die Decke auf den Kopf.“
„Oh. Das tut mir leid.“
„Und ein bisschen habe ich gehofft, dich wiederzusehen. So wie du letztens ausgesehen hast, dachte ich mir, du kommst jetzt bestimmt auch öfter hierher.“
„Äh. Okay. Ja. Nun ja.“

„Und das Mädchen? Was ist mit ihr?“
„Du bist neugierig, kann das sein?“
„Ein bisschen, hihi. Wenn ich nerve, dann sag Bescheid. Es geht mich ja auch eigentlich nichts an. Sorry, bin immer ein bisschen direkt.“

„Es ist nur .... kompliziert und ich möchte das einfach vergessen. Dieses Mädchen nervt einfach nur. Nein. Ich möchte sie vergessen. Wirklich. Man. Sie. Ach, nein. Vergiss es.“

Jetzt wurde ich doch etwas patzig. Ja, weil mich der Gedanke immer verfolgt. Da möchte man Melody vergessen und wird trotzdem immer dran erinnert. Aber das kann sie ja nicht wissen.
Deswegen gehe ich lieber jetzt. Es ist besser.
„Hey. Es tut mir leid. Wollte nicht laut werden.“

Doch dann blüht mein Herz wieder auf, als sie mich in den Arm nimmt.
„Ich mag dich irgendwie und du bist einer, den man einfach knuddeln muss. Ist einfach so. Lass dich nicht unterkriegen, okay? Wir sehen uns hoffentlich bald wieder.“

„Ja. Wäre schön. Bis bald. Ich komme bald wieder.“
Ich hätte sie ja auch fragen können, wo sie wohnt und wie die Handynummer lautet, aber ich weiß irgendwo auch, dass dieses Mädchen dringend, wen zum Reden braucht und sie noch öfters in den Park kommt. Und so komme ich auch wieder raus, anstatt sie einfach nur anzurufen.
Also gehe ich erstmal nach Hause. Dort braucht man mich nämlich jetzt auch.

Denn Mam ist fix und alle.

Mach's gut, Onkel Phillip. Wir sehen uns irgendwann wieder.
