- Kucki 232
Ich wünsche mir ...

Am nächsten Tag erlebe ich nachmittags ein Gespräch mit. Paps habe ich noch nie so laut erlebt. Ja, na klar. Mir fiel schon auf, dass Aurelie nicht mehr in die Schule kam. Zweimal schon nicht. Aber dass sie dann eine von den Schülerinnen ist, die schwänzen, hätte ich nicht gedacht.
„Wenn du meinst, tun und lassen zu können, was du willst, nur weil du nicht mehr hier wohnen möchtest, dann hast du dich geschnitten. Es war schon peinlich genug, deswegen in die Schule zu müssen. Was ist los mit dir?“
„Paps, ich entschuldige mich, okay?“
„Mach´so weiter und ich drücke kein Auge mehr zu. Dann kommst du wieder zurück.“
„Ja, alles klar. Ich würde schon gern in Henford bleiben, aber mag die Copperdale nicht. Gibt es da eine Möglichkeit, dass ich wieder auf die Brindleton kann?“

Ich habe nie so richtig verstanden, was plötzlich mit meiner Schwester los war. Irgendwann wurde sie immer giftiger. Ob da mehr hintersteckt?
Aber ich muss mich erstmal um meine eigenen Probleme kümmern. Meine Eltern denken jetzt bestimmt ich bin techtelgeil, oder so. Man, ja. Meine männlichen Hormone sind etwas mit mir durchgegangen, aber das heißt noch lange nicht, dass ich Unrecht habe.
Ich schnappe mir das Mittagessen und verpiesel mich ins Esszimmer, wo Mam gerade die Kleine füttert.
„Huiiii, hihi. Und der nächste Hubschrauber. Brrrrrrrrrt.“

Michelle hat so ein sorgloses Leben. Ich hoffe, sie wird es einfacher haben als wir. Selbst Niklas meldet sich absolut nicht mehr und Madleen auch nicht. Aber vielleicht wird es sich irgendwann auch alles aufklären und wir sind wieder bombenfeste Geschwister.
„Mam? Mir ist das peinlich, okay? Und es bringt mir nichts, wenn du immer so grinsen musst. Ich denke, jeder Mann ist so und ich bin nun mal fast einer. Also, wo ist das Problem? Sei froh, dass ich mir keine Zeitschriften kaufe.“

„Nein, es ist nicht so, dass wir uns jetzt darüber lustig machen. Ja, es war witzig, weil ich nie gedacht hätte, dass du sowas schreiben kannst, hihi. Aber es ist halt an Marcs Rechner passiert und das war nicht so schön. Stell´ dir mal vor, du hättest die Mail aus Versehen einem Mandanten geschickt.“

„Ich kann auch nichts dazu, dass während des Umzuges mein blöder PC kaputtgeht. Wäre ja alles nicht passiert, wenn wir nicht ständig umziehen würden. Ich hab´ auch kein Bock mehr, okay?“
Was soll ich machen? Bin immer noch mies gelaunt. Im Moment bin ich nur froh, dass ich mich im Praktikum verstecken kann.

„Dann bekommst du einen Neuen. Entschuldige. Daran habe ich nicht gedacht.“

„Ist das okay, wenn ich nachher zum Lichterfest gehe? Vielleicht kann ich da eine Sache wieder geradebiegen. Ich hoffe, sie kommt auch.“
„Soll Paps dich bringen?“
In dem Moment kommen er und Aurelie zu uns. Die beiden starren ins Leere, aber wie es aussieht, ist meine kleine Schwester langsam wirklich zur Vernunft gekommen. Sonst wäre sie jetzt nicht hier.

Sie fängt an, zu erzählen:
„Ich möchte mich bei euch entschuldigen und hoffe, dass ich das irgendwie wieder bereinigen kann. Leider ist mir etwas in der Schule passiert, dass nicht hätte sein sollen und das wusste ich nicht anders zu verarbeiten. Ich möchte Joel jetzt auch nicht sagen, was genau passiert ist, da ich mir vorstellen kann, dass das nur böses Blut geben wird. Deswegen möchte ich einfach nur die Schule verlassen und dann ist gut. Und besonders bei Joel möchte ich mich für mein Verhalten entschuldigen. Du kannst da doch nichts zu und hey. Bleib´am Ball mit Katharina. Sie ist eine ganz Liebe, auch wenn sie in letzter Zeit etwas übertrieben hat, hihi. Sie und knappe Klamotten? Nein, hihi. Nur mein großer Bruder hat sie halt umgehauen.“
Aurelie steht auf und bittet mich, dasselbe zu tun. Sie nimmt mich in den Arm.
„Es tut mir leid.“
„Alles gut. Erzählst du mir aber irgendwann, was passiert ist?“
„Vielleicht.“

„Ich habe noch ein gutes Wort eingelegt und habe Katharina einfach gesagt, sie soll sie sein und sich nicht verstellen. Vielleicht hättest du sie ja so schon viel eher gesehen. Ich kenn´ dich doch.“

Jetzt bin ich erst recht neugierig und muss plötzlich ganz schnell zum Lichterfest. Hoffe nur, sie vergisst diese blöde Mail. Mein Zimmer wird nämlich langsam langweilig.
Also mache ich mich startklar. Paps bringt mich hin. Wunderbar. Wenn ich denn nicht so lange im Bad brauchen würde. Machen das eigentlich nicht nur die Mädchen so?

Ich bin nervös, weil ich noch nicht weiß, was jetzt auf mich zukommt. Katharina hat sich verstellt, nur damit sie mir gefallen könnte? Oh weh.
Um 19 Uhr kommen Paps und ich in Mt. Komorebi an. Viel ist noch nicht los. Na ja. Denke, normal für ein Lichterfest.

Hoffentlich hat sie meinen Zettel gelesen. Na ja. Ganz bestimmt. Sie hat doch bestimmt noch andere Dinge in ihrer Tasche. Irgendwas braucht man daraus doch immer. Oder sie will einfach nur nicht. Bald werde ich es wissen.
Also warte ich.

Cool. Ein Wunschbaum. Natürlich wünsche ich mir, dass Katharina heute herkommt. Auch wenn ich an sowas nicht glaube.

Und ich warte weiter.

Und warte.

Bis ich irgendwann ordentlich Durst bekomme. Mittlerweile ist es 20 Uhr durch. Langsam glaube ich, dass dieser Abend total uncool werden wird und ich mich wieder mal zum Deppen mache.

Schlürf.

Langsam kenne ich diesen Stein auswendig.

Kurz vor 21 Uhr.

Es wird auch langsam dunkler und kühler. Ich sehe, wie die ersten Besucher zum Lagerfeuer rennen. Wird wohl gleich angemacht.

Und da ich ja gerade nichts Besseres zu tun habe und auch ordentlich die Lust verliere, überhaupt nochmal um irgendwas zu kämpfen, mache ich einfach ein Foto mit dem Kollegen hier.


Und dann warte ich weiter. Wie naiv bin ich, Dussel eigentlich?

Schließlich habe ich keinen Bock mehr und rufe Paps an. Um kurz vor 22 Uhr gebe ich auf. Ich gehe zum Treffpunkt und erwische wenigstens Raina hier. Hätte ich das gewusst, wäre der Abend vielleicht nicht ganz so trostlos geworden.
„Hey, du hier? Wo kommst du denn her?“

Alex kommt auch mit dazu. Aber sie guckt nur blöd und grinst.
„Äh, alles in Ordnung?“

„Weiß ich noch nicht.“
Und so gehe ich einfach. Mehr kann mir einfach nicht mehr passieren. Ne, ich mag nicht mehr. Das war's.

Zuhause mache ich nur mein Handy aus und höre auf zu hoffen. Pfff. Kann man sehen, was dieser blöde Wunschbaum in Erfüllung bringt. Schwachsinn.

Nicht mit mir.
