- Kucki 232
Kapitel 112 - Ein letztes Mal?

Ich gehe sofort rein, um mit Paps über unsere Pläne zu reden. Was ich eben gesehen habe, kann ich einfach nicht glauben. Dass morgen alles vorbei ist, kann ich nicht glauben.

Selbst Isabelle sitzt ganz erstarrt da. Was sie wohl fühlt und denkt? Eigentlich wollte ich ja hier nur kurz bleiben, um wieder auf die Beine zu kommen. Und jetzt?

Kucki redet schließlich auch mit ihr. Bekomme leider nur gerade nichts mit. Denn mir ist etwas anderes wichtig.

„Ähm, Paps? Kann ich dich kurz sprechen? Ist wichtig.“
Selbst er ist in Gedanken. Er hat sowas schon tausend Male durch. Plötzlich musste er irgendwo anders hin. Und irgendwie schraubt er da und schraubt und das nicht gerade sanft.
Paps legt den Schraubenschlüssel zur Seite und schaut mich mit einem ungewohnten Blick an. Hm. Wütend. Aber irgendwie trotzdem noch gelassen. Ja, er kann seine Emotionen gut verstecken. Ich verstehe ihn voll und ganz. Weiß ja selbst nicht, was hier gerade passiert.
„Können wir nach Willow Creek fahren? Ein paar Stunden haben wir noch und ich würde gern Katharina warnen und noch ein paar Sachen holen. Geht das? Bitte!“
Ich flehe regelrecht.

Schließlich hört er auch zu, was am Tisch besprochen wird. Ja, Kucki meint es ernst und langsam kann sie auch Isabelle überzeugen.
„Sieh es so: Ich habe gesehen, dass bei dir sämtliche Türen quietschen, hihi. Du siehst, dass Marc ein guter Handwerker ist. Er könnte dir dabei helfen, hier alles in Schuss zu bringen.“
Aber sein Blick spricht Bände.

„Wie stellst du dir das vor? Einfach hinfahren? Mal eben so? Das sind drei Stunden.“

„Kucki hat schon oft genug mein Leben bestimmt. Ich habe keine Lust mehr drauf, okay? Sonntag fahren wir nach Hause. Punkt. Ich habe da noch genug zu reparieren.“
Jennifer kommt auf ihn zu.
„Dann wirst du aber niemanden mehr kennen, Marc. Das ist es ja. Was hast du davon, wenn du einen fremden Alex triffst?“
Okay, das berührt selbst mich.
„Jenny, aber.“
Mit einem Kuss auf der Wange bekommt Paps wenigstens kurz andere Gedanken. Was soll ich denn sagen? Selbst ich bin hin- und hergerissen. Was soll ich tun? Alles wird fremd in Willow Creek. Wir wären die Neuen in der Stadt. Und alles nur wegen mir.

Dann würde ich Katharina wiedersehen. Keine Erinnerungen an sie. Wie blöd klingt das? Wer weiß, ob der neue Joel, sie dann auch ansprechen würde? Echt? Moment? Ich werde Katharina doch nicht vergessen, oder? Oder habe ich das jetzt falsch verstanden?
„Hehe. Hört zu. Mir ist da gerade was ganz anderes noch wichtiger geworden, ja? Paps? Können wir nach Willow Creek? Bitte! Ich ..... ich möchte mich wenigstens verabschieden und vielleicht können wir Katharina ja mitnehmen.“

Schließlich kommt auch Frau Martinez zu uns.
„Ich sag’ euch aber eines: Diese Kucki wird nicht bleiben. Ich mag sie nicht. Gegen meine neue Familie habe ich nichts, aber sie darf nicht bleiben. Es ist immer noch meine Ranch. Gut, sie hat recht. Ich könnte wirklich etwas Hilfe gebrauchen. Aber nein. Sie nicht.“
Kucki ist gerade nicht im Raum. Ob sie es aber trotzdem mitbekommt?
„Sie kann Joel gern helfen und so, aber hier wohnen? Nein.“

„Dann komm, Joel. Wir fahren los und holen noch ein paar Sachen. Muss hier eh gerade raus.“
Paps nimmt seine Autoschlüssel, gibt Jennifer noch einen Kuss und dann fahren wir los.
Die halbe Fahrt ist er nur recht ruhig. Er ist sehr angespannt.
„Kucki zieht sowas nicht zum ersten Mal ab“; kommt irgendwann.
„Nein, nicht nur sie. Überhaupt war dann immer irgendwas. Ich dachte, wir könnten uns in Willow Creek was aufbauen, verstehst du? Und schon müssen wir wieder weg. Immer und immer wieder. Es nervt. Ich kann das nicht mehr, Joel. Habe mir aber Gedanken gemacht und vorhin ja noch mit Isabelle gesprochen. Sie würde uns aufnehmen und ich helfe ihr, hier alles instand zu halten. Werde den Job als Detektiv annehmen. Hier hätte ich gute Chancen. Das stimmt schon. Trotzdem.“
Dann ist Paps wieder still. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Irgendwo bin ich an diesem ganzen Desaster ja schuld.
**********
Knapp über drei Stunden haben wir gebraucht. Es ist kurz vor 17 Uhr. Eisig kalt ist es heute in Willow Creek. Es schneit sogar vereinzelt. Als wir an unser Haus kommen, bin selbst ich jetzt betrübt.

Er schließt die Tür auf. Oh, man. Ich mag nicht. Das ist doch unfair.

Im Flur bleibe ich stehen und mir wird jetzt erst richtig klar, dass Paps es sehr schwerfällt. Hier wollten wir uns etwas aufbauen. Bleiben. Alt werden. Aber dieser blöde magische Fluch sieht was anderes für uns vor.
Er schaut sich überall um.

Und ich schaue nur hinterher.

Schlechtes Gewissen überkommt mich. Es tut weh. Deswegen werde ich dafür sorgen, dass uns sowas nicht nochmal passiert und wir in Chestnut bleiben. Gut, okay. Ich werde nie ein Cowboy sein und sowas, aber trotzdem kann man da bestimmt gut leben. Man kann sich zurückziehen.

Ich sehe, wie Paps sich ordentlich zusammenreißen muss. Bekomme immer noch keinen Ton raus.
„Wolltest du nicht noch ein paar Sachen holen? Ich werde das Haus verkaufen und die Ranch unterstützen. Viele Dinge sind dort marode und müssten repariert werden.“

So gehe ich in mein Zimmer und bemerke jetzt selbst, dass es mir sehr schwerfallen wird.
Und so fahren wir zu Katharina. Sie ist sogar gerade draußen. Ich bin so froh, sie nochmal sehen zu können. Am liebsten würde ich sie einfach nur einpacken und dann ab nach Chestnut.
Sie schaut mich wiederum nur kurz an. Immer noch sauer.

Bevor sie was sagen kann, fange ich an.
„Du, ähm. Ich weiß, ich hätte mich melden sollen. Haue einfach ab und lasse dich hier allein. Ich, ich bin ein Idiot und ähm. Ich hasse mich dafür.“

„Aber, aber. Kannst du mir verzeihen? Bitte. Ich. Hmpf. Hör´zu. Es ist etwas kompliziert, aber kannst du nicht mit mir kommen? Geht das? Ich kann dir das nicht erklären, aber ich möchte, dass du bei mir bist. An meinem Geburtstag, okay?“

„Katharina. Ich bin gerade dabei, alles zu verlieren. Morgen wird alles anders sein. Ich. Nein, ich kann dir das nicht sagen, aber ich brauche dich. Ich lieb dich, okay?“

„Magst du mit mir nach Chestnut? Paps bringt dich bestimmt nach Hause. Ist mir auch egal alles gerade und so, aber es ist wichtig. Und wenn wir dir ein Hotelzimmer besorgen. Bitte. Was sagst du?“

„Ansonsten wollte ich halt nur Tschüss sagen und so. Ich werde dich dann nicht länger stören, wenn du das nicht willst. Okay? Dann siehst du mich heute zum letzten Mal und ich dich und ähm .....“
Doch dann passiert ein Wunder.
„Nein, Joel. Ich liebe dich auch, aber. Es ist kompliziert, seit du weg bist. Wer weiß, wann du wiederkommst? Ich war sauer. Und .....“
Dann fällt sie mir in die Arme.

„Kannst du denn mitkommen? Geht das irgendwie? Bis Mitternacht müssten wir in Chestnut sein und. Manno. Bitte.“
Ja, so langsam bin ich richtig verzweifelt.

„Ich liebe dich und ich möchte dich nicht verlieren. Mir egal, was du jetzt denkst. Ja, ich bin drei Stunden weiter weg. Mann, ja. Ich weiß. Aber wir könnten uns trotzdem sehen. Ich komm’ dann mal zu dir und du zu mir und so, weißt du? Und ......“
Katharina weiß absolut nicht, was los ist, aber sie scheint das gerade süß zu finden.

„Ich kann jetzt nicht einfach so mitkommen. Tut mir leid. Mein Vater würde mich killen. Er dreht wieder total am Rad und ich fühle mich nicht so gut. Irgendwas verändert sich. Das spüre ich. Ich dachte erst, dass ich dich nicht mehr liebe, aber gerade merke ich das Gegenteil und .... Ich. Ich weiß einfach nicht, was los ist.“

„Ich weiß. Ich könnte dir alles erklären, aber ...Hmpf. Du wirst mir fehlen, Katharina. Du bist so weit weg und.“

„Ich verstehe nicht. Das fühlt sich gerade so an, als ob du Schluss machst. Als ob wir uns nicht wiedersehen. Joel, was ist los?“
Ich schaue auf die Uhr und sehe, dass es kurz vor sechs ist. Verdammt. Ich habe keine Zeit mehr. Soll ich es ihr sagen? Kucki meinte, dass es besser wäre, wenn ich es so belassen würde, wie es kommt. Aber wisst ihr was? Ich scheiße gerade auf Kucki.
„Weil morgen etwas passieren wird und wir uns nicht mehr kennen werden. Ich kann das jetzt nicht erklären, aber all jene, die nicht in Chestnut sind, werden mich vergessen.“

„Aber. Ich versteh’ nicht.“
„Es ist eh egal, Katharina. Du darfst eh nicht mitkommen. Es ist egal. Nein. Vergiss es. Vielleicht ist es doch besser so.“
Und so nehme ich sie nur noch in den Arm. Verdammt. Ich hätte es ihr nicht sagen sollen. Was nun? Sie wird sich den Kopf zerbrechen. Nein, Mann. Halt einfach die Klappe.

Ich gehe einfach. Ich habe das Gefühl, dass ich die Situation gerade noch schlimmer gemacht habe. Niemals hätte ich herkommen sollen.
Sie bleibt auch nur da stehen und sortiert wohl. In ein paar Stunden hat sie eh alles vergessen.

Paps merkt, wie mich das Ganze mitnimmt und umarmt mich. Ich schaue mich immer zu Katharina um und einmal kommt noch ein „Ich liebe dich“ von mir. Aber mehr will und kann ich nicht mehr sagen.
„Komm her. Wir schaukeln das schon.“

Und so weine ich die ganze Fahrt über. Ich hoffe ja jetzt, dass sie sich nochmal meldet. Dass ein Wunder passiert. Irgendwas.