top of page
  • Kucki 232

Kapitel 117 - Ich muss dir was sagen


 

Jeder hier hat im Moment in diesem Haus so einiges zu verdauen. Erinnerungen fehlen und keiner weiß so richtig, wo er jetzt weitermachen soll. Ich möchte wieder selbstständig werden. Joel hat noch ein Jahr Schule vor sich. Isabelle versucht immer noch damit klarzukommen, dass plötzlich ihr Haus so voll ist. Jenny möchte auf Tour gehen und Kucki fühlt sich so verloren, weil sie nichts mehr machen kann. Nur Lukas findet das eigentlich ganz cool, nicht in die Schule zu müssen. Das ist trotzdem kein Dauerzustand so.

Eines haben wir dann auch noch gemeinsam: Wir hängen hier in Chestnut fest. Okay, kann man für einen Neuanfang nutzen, aber was sagen wir denen da draußen?

Trotzdem nehme ich mir hier jetzt vor, Isabelle zu helfen, wo ich kann. Heute wollte ich dann auch noch ins Dorf, um uns beim Bürgermeister anzumelden. Muss ja irgendwie weitergehen.

Tja, und dann bin ich auch mal der, der morgens um vier Uhr aufsteht. Die Kinder lassen wir heute ausschlafen. Sie leisten schon genug. Oder machen eben genug durch.


Es ist recht kalt draußen, aber auch nicht so kalt, dass man sich dick einpacken muss. Die Luft ist perfekt. Und diese Ruhe hier. Wahnsinn, dass ich an so einem Ort lebe.

Auf geht's also. Nachher melden wir auch die Kinder in der Schule an. Sind wir eben neu im Dorf. Wird halt nur ein Problem damit geben, was wir denn sagen, wo sie vorher zur Schule gingen?

Kucki hat erzählt, dass alles, was sich verändert hat, entweder vernichtet oder an seinem ursprünglichen Ort ist. Doch irgendwie müssen wir das doch wieder reparieren können? Selbst Ahnin Kucki ist ratlos im Moment.

Jenny redet auch nicht besonders viel. Eigentlich gar nicht. Ist sie sauer auf mich? Habe ich was falschgemacht?

Ich rede nachher mal mit ihr. Hoffe, es ist nichts Schlimmes.

Die Ranch ist wirklich sehr riesig. Isabelle und ich haben uns nun auch mal ausgesprochen und sie ist sogar sehr froh, dass wir hier sind. Sie schafft es nicht so richtig, von ihrem Mann loszulassen. Überall hängen Erinnerungen von ihm. Das tut mir so leid für sie.

Selbst Joel war gestern noch so richtig mies drauf. Habe den Streit nicht wirklich mitbekommen, aber es soll wohl aus sein zwischen ihm und Katharina. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass mich jeder im Moment braucht.

Aber erstmal möchte ich wissen, was mit Jenny los ist. Das kann ich einfach nicht mehr aufschieben.

Sie steht auch nur da und starrt den Baum an. Sehe ich da eine Träne? Och nö. Bitte nicht. Solch einen Gesichtsausdruck kann ich gerade nicht ertragen. Dann denke ich immer gleich, dass es meinetwegen ist.

„Hey. Was ist los? Rede doch bitte mit mir.“

„Wenn es meinetwegen ist, dann hau mich bitte. Das darfst du dann ausnahmsweise mal.“

Okay, schmunzeln muss sie dann doch.

Sie kommt auf mich zu und drückt mich ganz fest.

„Nein. Es ist nicht deinetwegen.“

„Sicher?“

„Ja.“

Aber irgendwas muss es doch sein?

Deswegen nehme ich mir vor, mit meiner Freundin ganz in Ruhe zu reden. Es ist bereits Mittag und auf der Ranch ist so weit alles fertig.

Okay, wo fange ich am besten an?

„Magst du denn reden? Du weißt, dass ich dir zuhöre und für dich da bin.“

„Marc. Ich bin so durcheinander. Als wir uns kennenlernten, da war alles so perfekt und wir haben so viel zusammen gemacht. Und jetzt kommt das mit Joel und alles verändert sich irgendwie. Ich habe das Gefühl, dass wir keine Zeit mehr miteinander verbringen und das fehlt mir. Und außerdem fühle ich mich so mittellos. Ich würde gern Musik machen. Etwas erleben, verstehst du? So dann Geld verdienen. Sims begeistern.“

„Also hat es doch mit mir zu tun?“

„Nein. Ähm. Ein bisschen. Ähm, nein. Es ist die gesamte Situation im Moment. Emilio hatte mir zwar erzählt, was mit Joel Sache ist, aber ich wusste nicht, dass es so ausartet. Ich dachte, das wäre etwas, womit er einfach lebt. Verstehst du?“

„Ich erinnere mich nicht mal an Lukas, seinem Vater. Wer ist das? Vielleicht hat er sich ja gut um ihn gekümmert. Es macht mir eben alles Angst. Und da liebe ich dich so und möchte mit dir ein Leben aufbauen. Habe mich so gefreut, einst mal wieder auf dieser Ranch zu sein, doch jetzt bin ich einfach nur noch traurig.“

„Ahnin Kucki wird bestimmt bald eine Lösung finden und dann wird wieder alles perfekt. Ich hätte ja selbst nie gedacht, dass ich mal mit meiner Traumfrau auf einer Ranch leben würde. Aber ich habe langsam Perspektiven und so schlecht ist das gar nicht. Solange ich nicht auf einem Pferd reiten muss. Also Blumen gießen okay, aber alles andere? Ne.“

„Und was wollen wir auch machen? Wir können nicht zurück?“

Unsere Blicke verlieren sich wieder ineinander. Ja, es stimmt. Ich möchte mehr Zeit mit Jenny verbringen. Ein Date im Dorf wäre doch eine tolle Sache. Oder sie zeigt mir einfach mal alles. Nein. Ich werde mein Bestes geben.

Es ist ein bisschen trostlos, aber eines möchte ich Jenny zeigen:

„Ich liebe dich und ich bin für dich da, wenn du was brauchst. Wenn du eine starke Schulter brauchst. Das mit deiner Musik verstehe ich auch voll und ganz, aber du hast mir nie was von dieser Tour gesagt. Und nun ja. Du wärst weg. Und .....“

Ich streichle ihr einfach nur über die Wange.

„Ich weiß, Marc. Deswegen habe ich ja nichts gesagt, weil ich selbst noch nicht sicher bin. Ich würde dich zu sehr vermissen, hihi. Aber auch diese Chance würde mir entgehen.“

Diese Frau ist einfach der Wahnsinn. Habe ich das schon mal gesagt? Denn schließlich .....

......verliere ich mich so in ihren Augen, dass wir eh wieder nur in der Kiste landen. Da kann man nicht widerstehen.

Bis dann plötzlich Kucki ganz wild an unsere Tür klopft. Verdammt nochmal. Ich ziehe schnell meine Unterhose an. Das jemand reinplatzen kann, hatten wir ja alles schon mal. Ich bin aber froh, dass ich diese Erinnerungen noch habe. Witzig war es ja trotzdem. Ich drehe mich nochmal zu Jenny um. Sie schläft tief und fest.

Boah, dieses Klopfen. Herrje.

„Alles gut. Ein bisschen Zeit wirst du doch wohl noch haben, oder?“

Als ich die Tür aufmache, bekommt Kucki ganz große Augen. Selbst Schuld, wenn sie mir nicht mal die Zeit gibt, dass ich mich anziehen kann.

„Oh, tut mir leid. Ich hoffe, ich störe euch nicht beim Sex oder so. Weil, ich habe was ganz Tolles für dich, hihi.“

Das ist gerade nicht ihr ernst?!

„Kannst du dich kurz anziehen und dann mit hochkommen? Ja? Jaaa?! Geht das?“

„Äh. Wirklich jetzt? Kann das nicht warten? Ich weiß ja nicht, ob du schon mal einen Freund hattest, aber du verstehst wohl nichts von Zweisamkeit, oder? Dass man auch mal mit dem Partner allein sein möchte, oder? Kennst du sowas nicht? Anstand und sowas?“

„Ich, äh. Doch. Aber ich denke nicht, dass ich dir genauere Details schuldig bin.“

„Die will ich auch gar nicht wissen. Also gut. Ich zieh’ mich kurz an und dann bleib ganz locker. Ich bin gleich oben.“


******


Doch als ich nach oben gehe, verfliegt kurz alles. Ich habe keine Ahnung, wie Kucki das gemacht hat, aber mein ganzes Büro aus Willow Creek ist hier. Mein Büro, an das ich mich erinnern kann. Das Haus. Sie hat tatsächlich alles hergebracht.

„Kucki, ich. Wie?“

„Isabelle hat mir geholfen. Wir wurden uns nicht einig, wer das jetzt hier alles aufgebaut hat und so wollen wir das in Zukunft gemeinsam machen.“

„Oh.“

Ich setze mich auf meinen Stuhl. Das ist gerade der erste Lichtblick, den ich habe. Ich fühle mich wie ein richtiger Detektiv. Also wieder. Das fühlt sich gut an.

„Komm mal mit. Ich zeig’ dir was. Im Sommer könntest du schön von hier oben aus arbeiten.“

Tatsache. Da ist wirklich noch ein großer Balkon. Auf den habe ich nie geachtet. Mit dem ersten Schnee jetzt nicht so perfekt, aber die Aussicht ist super.

Letztens fühlte sich alles noch so an, als hätte ich alles verloren. Obendrein noch hilflos meinem Sohn gegenüber. Und jetzt dieser kleine Funken Hoffnung.

„Es tut mir auch leid, dass wir so einen schlechten Start hatten, Marc. Aber ich werde wirklich alles versuchen, um die Sache wieder geradezubiegen. Du musst wissen, dass ich Miguel vermisse. Und wenn du es genau wissen willst, dann. Ach, nein. Vergiss es.“

Ahnin Kucki geht schließlich auch wortlos wieder runter. Okay, nun bin ich selbst sprachlos. Mein Büro ist hier. Und die Aussicht ist so toll. Ich liebe es.

Bis mir zu kalt wird, gehe ich wieder rein und mache mich sofort ans Werk. Jetzt möchte ich es wissen. Etwas aufbauen. Neu anfangen. Ich schöpfe wieder Energie.

Jenny kommt auch zu mir hoch.

„Ich, ähm. Marc? Kann ich dich kurz sprechen? Da ist nämlich noch was, was ich dir gern sagen möchte.“

„Okay, klar.“

Ich stehe auf und sie lächelt mich nur an. Erwartungsvoll stehe ich da und schaue in ihre wunderbaren braunen Augen.

„Mit der Tour wäre eh nichts geworden. Ja, ich werde Musik machen und ich freue mich auch schon sehr darauf. Aber, ähm. Ich denke, dass das in der nächsten Zeit nicht so gehen wird.“

Bis sie schließlich den nächsten Satz in mein Ohr haucht:

„Ich bin nämlich schwanger.“


0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page