- Kucki 232
Kapitel 122 - Ich lass´ dich nicht im Stich, mein Sohn

Das Schweigen nervt mich langsam immer mehr. Was bringt es mir jetzt, hier blöd rumzusitzen und zu hoffen, dass mein Sohn sich gleich meldet?
Nein, es reicht mir jetzt. Ich kann nicht die ganze Zeit den Schnee beobachten und daran denken, dass Joel vielleicht tot sein könnte.

„Was sitzen wir hier eigentlich rum und tun nichts? Joel könnte tot sein und wir sitzen hier einfach. Ich gehe ihn suchen.“

„Marc, aber du könntest dich verlaufen. Du kennst dich doch in Chestnut gar nicht aus und würdest eher erfrieren. Wir melden uns bei der Polizei und sie suchen ihn dann.“
„Darauf kann ich nicht warten. Ich muss los und ich weiß wohl am besten, was zu tun ist. Das ist mir jetzt egal.“

„Während wir darauf warten, dass die Polizei abnimmt und dann auch noch hier ist, bin ich schon weiter und habe ihn vielleicht bis dahin gefunden.“
„Marc, aber.“

„Was soll ich anderes machen? Joel braucht mich. Er hätte sich gemeldet. Der Junge würde es mir nicht einfach so antun, wenn nichts wäre. Er liegt bestimmt irgendwo verletzt rum und kann mich nicht erreichen. Ich muss einfach handeln.“

„Kann ich mitkommen. Ich kenne mich hier wunderbar aus und das könnte vielleicht helfen.“

„Mama, aber.“
„Marc wäre hier aufgeschmissen und er hat recht. Wir müssen was tun. Vielleicht finden wir den Jungen schnell. Und ich nehme noch Tee mit oder irgendwas. Vertrau mir.“
„Und auch ich könnte mit. Ich bin zwar keine Magierin mehr, aber ich habe auch nichts zu verlieren, außer meinen Schützling.“

Ich sehe, wie Jenny sich immer unsicherer wird. Sie wäre mit Lukas dann ganz allein. Es ist gerade eine miese Sache. Was muss sie sich für Sorgen um uns machen?

„Sorry, aber ich muss los. Wer mit möchte, okay. Macht das. Aber ich muss jetzt los. Habe schon genug Zeit verplempert.“
Ich stehe auch ruckartig auf. Jede Sekunde zählt.
„Marc. Ich kann uns eben auch noch Brot machen. Wer weiß, wie lange das dauert?“
„Mir egal. Aber ich muss jetzt los.“

Lange warte ich jetzt auch nicht auf die anderen. Zehn Minuten vielleicht. Länger passt einfach nicht mehr. Ich schaue nach draußen und so sehr ich dieses Wetter eigentlich liebe, aber eben nur gemütlich vor dem Kamin. Nicht wenn ich weiß, dass da draußen mein Sohn irgendwo hilflos umherirren könnte.
„Marc, warte bitte noch.“
Wir wollen eigentlich gerade aufbrechen, als Jenny noch zu uns kommt.

Sie kuschelt sich von hinten an.
„Pass bitte auf dich auf, ja? Nein. Passt bitte auf euch auf.“

Ich weiß, dass sie gerne mitgekommen wäre, doch Lukas ist dann allein.
„Na klar. Ich bin Detektiv. Da draußen bekommt mich so schnell nichts klein.“
So streichel’ ich ihr zur Beruhigung über die Wange. Mehr kann ich eben gerade nicht tun.

„Und melde dich bitte alle fünf Minuten. Bitte. Nein. Alle zwei Minuten. Jede Minute.“
Sie fällt mir in die Arme.
„Komm einfach heile nach Hause. Hmpf.“
„Werde ich.“
Süß, wie sich gerade mehr um mich Sorgen macht, als alle anderen. Okay, ihre Mutter kennt sich hier aus. Sie kennt die Tücken von Chestnut. Aber trotzdem. Es kann immer was passieren.

Schnell noch ein Kuss, doch dann muss ich wirklich los.
„Ich liebe dich, Marc.“
„Ich dich auch.“

„Und sollte es stürmisch werden, dann brecht die Suche bitte ab, ja?“
Ich lächle nur unsicher. Das kann ich ihr leider nicht versprechen. Mein Sohn muss gefunden werden.
So gehen wir schließlich. Es schneit zwar viel, aber ansonsten sehen wir noch genug.

Wenn Joel wirklich seit gestern Abend verschwunden ist, dann kann mich alles erwarten. Das macht mir langsam Angst.

Aber im Stich lasse ich ihn jetzt nicht. Komme was wolle.
