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  • Kucki 232

Kapitel 123 - Der Suchtrupp


 

Ich gehe nochmal rein, da mir noch eine Idee kam. Habe eh mein Handy vergessen und die Tasche mit Tee und Essen steht auch noch da.

Falls nämlich mal irgendwas ist, habe ich ein kleines Ortungssystem in die Handys gebaut, damit wir uns immer wiederfinden. Vielleicht kann ich so wenigstens Joels Handy orten?

Immer wieder muss ich in den Himmel schauen und hoffe, dass nicht noch ein Schneesturm aufkommt. Wenn ich bedenke, dass mein Sohn seit gestern Abend weg ist. Auf einer Seite bin ich trotzdem froh, dass er ein paar Wochen bei mit Praktikum machen konnte. Angreifen kann man ihn so schnell nicht. Ob das aber auch ein Trost ist?

Als ich drin bin, klingelt es. Es ist John. Isabelle hat ihm eben meine Nummer gegeben. Es scheint sich schnell herumgesprochen zu haben, dass mein Sohn gesucht wird. John würde gern helfen.

Okay. Jennys Mam ist ja auch überallhin und hat nachgefragt. Jetzt lerne ich wohl kennen, warum das Dorf wirklich so angesehen ist.

„Klar, kein Problem.“

Er braucht auch nicht lange hierher. Sagen wir - zwei Minuten. Ich gehe samt Rucksack und Handy nach draußen. John erklärt mir auch, dass man bei dem Wetter gut aufpassen muss. Viele Felsen sind plötzlich rutschig, da der Winter es hier immer sehr eilig hat.

Okay, beruhigt mich auch nicht gerade und so nehme ich mein Handy in die Hand und hoffe, dass es klappt. Ein schwaches Signal bekomme ich sogar noch. Dann nichts wie los.

Es ist doch eine ganz schön weite Strecke. Puh. Ich hoffe, das Wetter macht mit.

Isabelle schnallt sich den Rucksack über.

„Okay, alle bereit? Ich weiß nicht, was uns erwartet, aber wir dürfen nicht ohne Joel zurückkommen.“

„Bereit.“

„Auch bereit.“

„Bereit.“

Und nein. Ich muss mit den Gedanken aufhören. Immer Ruhe bewahren. Keine rutschigen Felsen, kein eisiger Schnee. Nichts anmerken lassen.

Doch immer wieder bleibe ich stehen und schaue in die Ferne. Normal wollte ich mit meiner Familie jetzt beim Abendbrot sitzen und die frohe Botschaft verkünden. Stattdessen bin ich jetzt hier. In der Kälte.

John läuft vor.

„Ich schaue mich schon mal um. Vielleicht finde ich ja eine Spur.“

Und ich immer noch starr. Warum laufe ich nicht vor? Es sind eher meine Gedanken, die dieses tun. Meine Beine sind eher wacklig. Mein Blick starr.

An der Brücke bleibt John stehen. Wir finden jedoch keinerlei Spuren. Der Schnee bedeckt alles innerhalb von ein paar Minuten. Wie soll man also Spuren finden, die über einen Tag alt sind?

Weiter geht es.

Meine Hände werden langsam richtig kalt. Wie lange sind wir schon unterwegs? Die Zehen frieren ein. John bleibt stehen und schaut nach links.

„Laut Ortung ist es nicht mehr weit. Wir müssen da lang.“

Kucki und Isabelle reden nicht wirklich viel. Wir machen eine Pause. Der Tee tut gut. Hoffentlich haben wir genug mit. Wer weiß, wie lange die Suche dauern wird?

John sichtet eine verlassene Ranch. Ob Joel dort ist? Es ist in der Nähe der Handyortung. Bitte, lass ihn da sein.

Unsere Gruppe ist genauso still wie das Wetter. Jeder in seinen eigenen Gedanken. Wäre es nicht so kalt, wäre die Stimmung bestimmt nicht so angespannt. Oder etwa doch?

„Hast du was gefunden? Ist er dort?“

Er schüttelt jedoch nur mit dem Kopf. Die Tür ist zu und in den Ställen ist er auch nicht. Es deutet wohl auch alles daraufhin, dass er nicht hier war. Es tut mir weh, dass er weg ist. Erst das mit Katharina und dann das Spielzeug. So viel muss in ihm vorgehen. Und da versuche ich schon, für ihn da zu sein. Ein besseres Leben zu schaffen. Gar nicht so leicht, bei diesen Umständen.

Wir gehen weiter.

Selbst Isabelle habe ich noch nie so wenig reden gehört. Und Kucki erstmal. So ein Wirbelwind verstummt komplett.

Ihre Mütze ist, glaube ich, im Moment das Einzige, worüber ich etwas schmunzeln kann.


Mittlerweile sind meine Füße nicht mehr spürbar. Hätte ich mich doch besser wärmer angezogen? Ich zittere langsam und meine Wangen schmerzen.

Ich schaue nochmal auf mein Handy. Irgendwo hier muss es sein. Irgendwo hier liegt Joels Handy. Sein Akku muss noch stabil sein. Ob ich darauf mal anrufen soll? Aber die Kälte. Hmm. Wäre es nicht eigentlich schon aus? Bevor ich mich weiter so etwas frage, rufe ich auf das Handy an. Wir hören was. Ganz schwach. Wow.

Isabelle rennt los.

„Da. Da kommt es her.“

Sie kniet sich an einer Stelle nieder und wühlt im Schnee rum.

Das Klingeln wird immer lauter. Die einzige Hoffnung, die ich gerade habe, ist, dass er das Handy noch nicht so lange verloren hatte. Es war in seiner warmen Tasche und vielleicht merkte er gar nicht, dass es hier verloren ging? Vielleicht wollte er wieder zurück, um es zu suchen, aber der Schnee hatte schon alles bedeckt?

Da ich denke, dass er hier irgendwo ist, fange ich an zu rufen:

„Joel! Joel??“

Kucki und John tun es mir gleich.

„Joel?!“

Die anderen wären jetzt wohl lieber auch zuhause. Schön am warmen Kamin mit einem heißen Kakao. Der Gedanke ist unbezahlbar.

Isabelle holt das Handy raus und ich lege auf. Sie meint, dass der Schnee noch nicht so dicht darüber ist. Paar Zentimeter.

Die Stimmung ist jetzt noch angespannter. Irgendwo froh, dass es noch nicht so lange her ist, aber dann wieder total bedrückt, weil Joel auf unsere Rufe nicht reagiert.

Wir trinken also noch einen Schluck Tee. Langsam wird es schwieriger, die Tasse richtig zu halten. Wir spüren alle langsam nichts mehr.

„Wollen wir dort hinten mal schauen? Am Brückenübergang?“

Okay, die Idee ist gut. Bei solch einem Wetter ist es einfach nur logisch, sich irgendwo Unterschlupf zu suchen.

Jenny meldet sich. Es wollen noch mehr helfen zu suchen. Tessa und der alte Don. Aber brauchen wir sie noch? Hmm. Ich schreibe Jenny, dass sie kurz noch warten soll. Sollte Joel dort nicht sein, dann bin ich für jede Hilfe dankbar. Denn dann werde ich nicht mehr so ruhig erscheinen wie jetzt.

Selbst ich schaffe es nicht, viel zu reden. Ich würde jetzt sofort gern zur Unterführung laufen. Jetzt. Aber ich bleibe starr stehen. Habe ich solche Angst? Vielleicht ist er dort. Vielleicht auch nicht. Er reagiert nicht auf meine Rufe. Was ist, wenn er dort ist? Wieder gehe ich sämtliche Szenarien durch.

Ich trau’ mich einfach nicht, da jetzt hinzugehen.


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