- Kucki 232
Kapitel 79 - Jetzt oder nie

Okay, ich finde langsam, dass ich ein ordentliches Problem habe. Aber bevor ich dieses Problem löse, gehe ich erstmal schwimmen. Ich sitze doch jetzt hier nicht die ganze Zeit auf dem Bett und schaue meiner Tochter beim Schlafen zu. Nicht wirklich.

Und vielleicht fange ich jetzt auch einfach mal an, alles positiv zu sehen. Es wird Zeit. Also, Marc. Setz dein bestes Lächeln auf und dann zeig, dass du dich nicht unterkriegen lässt.

Auf geht's. Jetzt beginnt mein Urlaub. Keiner wird mir jetzt mehr blöd kommen oder mir alles ruinieren. Nö. Das Wasser ist der Wahnsinn. So kristallklar und warm. Kurz mal frei sein und alles um sich vergessen. Einfach nur losschwimmen.

Michelle schläft eh noch und wenn, dann ist Joel auch noch da.


Bis mir dann einfällt, dass ich noch Essen beschaffen muss. Unsere Ferienanlage hat keinen Kühlschrank. Wir haben eigentlich nichts. Selbstversorgung inklusive. Nebenan gibt es zwar was zu kaufen, aber der Stand hat auch nicht ewig auf. Also hole ich uns eine Kühlbox. Oben kann man einiges an Kleinkram kaufen.

Ich sehe, dass Joel schon oben am Automaten ist. Das Ding scheint ja wunderbar zu funktionieren, wenn er da so am Rumfluchen ist.

Schaue ich mal nach, ob ich helfen kann.

„Dieser Kackmist. Man, verdammt. Kacke, alles.“
„Äh. Alles okay, Joel? Brauchst du Hilfe?“
Er dreht sich nur zu mir um.
„Bist du nicht eher der, der mal Hilfe braucht? Oder was war das vorhin, hmm?“

„Ich weiß nicht, wovon du sprichst. Es ist doch alles in Ordnung.“

„Oder nicht?“
Okay, nun bin ich etwas unsicher. Ja, die Stimmung ist hier gerade echt noch im Keller. Aber was soll ich denn jetzt machen? Emily ist aufgebracht und Frau Steinberg sauer. Soll ich mich echt dazwischenstellen? Hmpf. Okay. Ich bin ehrlich. Ich bin wirklich ratlos.

„Hmm? Was soll denn los sein? Wir sind hier im Urlaub und alles ist toll.“
Mein Sohn geht nur an mir vorbei und schaut mich an.

„Das sehe ich anders, Paps“, sagt er leise.

Ich muss trotzdem erstmal die Kühlbox holen und ein paar Snacks kaufen. Mal schauen, ob ich uns noch was angeln kann. Irgendwas machen. Hauptsache ablenken. Ich habe auch gerade keine Ahnung, wo alle sind. Emilio war eben noch schwimmen und Frau Steinberg wohl in ihrem Zimmer. Hmm. Und Emily? Sie habe ich schon länger nicht mehr gesehen.

Egal jetzt. Ich brauche was Kühles.


Während mir Joel hilft, Fische zu fangen. Dann abends schön grillen und vielleicht beruhigen sich dann alle ein bisschen. Diese angespannte Stimmung geht langsam zu weit. Weswegen eigentlich? Oh, ich vergaß. Meine Exfrau. Diese Frau ist im Moment wie eine Bombe. Man weiß nie, wann sie hochgeht. Ich denke, dass alles geklärt ist und dann fängt sie plötzlich wieder an. Sie hat mir heute nicht mal ein müdes Lächeln geschenkt.

Und worüber ich im Moment viel nachdenke, ist Sven. Mir lässt es keine Ruhe, dass er im Knast sitzt, obwohl er mich nur beschützen wollte. Die Details will ich langsam auch nicht mehr wissen, aber ich bin am Überlegen, die Kaution zu zahlen, obwohl ich diesen Mann nicht kenne. Aber wenn ich in seiner Nähe bin, dann fühlt es sich so vertraut an. Als wenn er schon immer irgendwo bei mir war. Na ja. Und was mir einfiel ist: Wo sind eigentlich Jingles und Alaska? Nach Jimmys Tod habe ich sie nie wiedergesehen. Keiner kam zu uns nach Hause. Und was ist mit meiner Detektei? Wie geht es da weiter? Ich habe einfach so viel noch zu erledigen. Mit den Gedanken bin ich wieder überall - nur nicht im Urlaub.

„Paps, hör zu. Sorry wegen eben, aber mich wurmt diese ganze Stimmung eben auch langsam. Ich dachte, wir könnten endlich mal reden, aber im Moment verhaltet ihr euch wie kleine Kinder. Und dass Mam jetzt natürlich miese Laune hat, ist doch klar.“

„Oder meinst du, Frau Steinberg und sie sind gleich dicke Freundinnen, hmm? Ich kann Mam da echt verstehen.“

Ich höre ihm nur mit einem Ohr zu. Aber irgendwie auch nicht und hmm. Nein, er hat natürlich recht.
„Wir reden heute Abend alle mal. Und ich denke, Frau Steinberg sollte dabei sein. Es klingt doof, aber ...“

„Nicht? Ja, was, Joel? Wenn du mich anschweigst, ist es auch nicht besser.“

Mein Problem ist die ganze Zeit, dass ich mich irgendwie dazu verpflichtet fühlte, mit Emily wieder zusammenzukommen. Wegen der Kinder und so. Ich dachte, ich müsse das nun alles ins Reine bringen und dann würde alles wieder seinen Lauf nehmen. Anfangs dachte ich auch, dass es schon wieder wird und ich ihr verzeihen kann. Aber je mehr wir uns gestritten hatten, desto aussichtsloser wurde es für mich. Mein letzter Funken Liebe schwand immer mehr. Die Hoffnung. Einfach alles. Und nun denke ich, dass ich alles falschgemacht habe und die Gefühle zu Frau Steinberg nicht sein dürfen. Ich schaue meine Kinder an. Okay, irgendwo haben sie sich mit abgefunden, aber wenn Emily dann noch in der Nähe ist, dann ist entweder miese Stimmung oder eben auch traurige. Ich weiß da einfach nicht weiter. Sind meine Gefühle jetzt etwa was Schlimmes? Na ja. Eigentlich doch nicht.
„Ich geh’ nach Michelle schauen. Ich hoffe echt, dass wir bald reden. Kein Bock mehr. Echt.“

Ja, ich habe wirklich so einiges zu klären. Selbst mit Emilio.
„Und? Was möchtest du mir jetzt erzählen? Dass ich Mam nach Hause schicken und mit Frau Steinberg durchbrennen soll? Irgendwie sowas kommt doch jetzt bestimmt.“

Da guckt mich Emilio aber sparsam an. Mit den Worten hat er jetzt nicht gerechnet. Na ja. Ich habe aber auch langsam keine Lust mehr. Langsam fange ich an, mich immer mehr verkriechen zu wollen. Nein, ist echt so. Weil ich immer mehr das Gefühl habe, dass es doch eh egal ist, was ich mache. Es hat ja eh keinen Effekt. Und wenn ich ehrlich bin, dann gibt es Streit. Ist doch so.
„Paps? Kannst du mir sagen, auf was für einen Trip Mam jetzt ist? Sie macht da mit einem anderen rum und du darfst deinen Spaß jetzt nicht haben? Alter, die Frau soll mal klarkommen. Dein Leben geht doch auch weiter. Voll krass, was sie da lässt. Sie hat Jenny voll angemacht.“

„Bin voll sauer auf die und das du mich dann noch so anmachst. Ey. Kommt schon. Voll kein Bock mehr, okay?“

Aber ja. Auch Emilio hat recht. Es wird Zeit, dass wir alle mal reden. Deswegen sind wir doch hier. Und hoffentlich wächst unsere Familie dann irgendwie wieder zusammen. Mit eben all diesen Veränderungen.
Ich nehme ihn in den Arm.
„Ja, wir reden alle mal. Es wird Zeit.“
„Cool, Paps. Vielleicht wird Mam dann ja doch wieder meine beste Freundin. Und vielleicht auch Mam. Mal gucken.“

Bis ich dann lautes Gebrüll von unten höre. Was ist denn da jetzt schon wieder los? Oh, Mann. Hat das denn nie 'nen Ende? Und dann kommt nämlich wieder dieser Moment, dass ich Emilio killen könnte. Ich muss mit Emily einiges klären, aber nicht zwischen Frau Steinberg und ihr.
Also gehe ich sauer runter. Es reicht. Es reicht so richtig.

Ich ziehe Emily raus und versuche trotzdem cool zu bleiben. Keine Anspannung zeigen und so. Bis sie mich dann total giftig anschaut. Ballert sie mir gleich eine oder was? Vorsicht, Emily. Ich habe eine Grundausbildung und weiß mich zu verteidigen, denke ich mir nur.

Und dann dieser Blick.

„Was soll das, Marc? Sie ist halb so alt wie ich und hat voll die großen Brüste. Meint sie, etwas Besseres jetzt zu sein? Hmm? Sag es mir. Die hat total die knappen Klamotten an und versucht noch ordentlich Salz in die Wunde zu streuen. Wenn sie so weitermacht, dann hat sie eine sitzen.“
Und das sagt sie nicht gerade leise.

„Sie macht dich voll an und will dich am liebsten sofort beglücken, so wie sie dich immer anschaut. Das ist doch widerlich. Marc, wir waren 20 Jahre verheiratet und ....“

„Und plötzlich ist sie da und alles geht kaputt und dann Karl und dann Joel. Alles geht kaputt. Meine Eltern haben sich geopfert und dann dieses Tattoo und dann Jimmy und .....Arghs. Ich dreh’ durch. Ich dreh’ einfach nur noch durch.“

Ich verstehe langsam, was mit Emily los ist. Ich verstehe es jetzt erst so richtig, auch wenn ich eigentlich schon länger drüber nachdenke. Es geht gar nicht um Frau Steinberg. Emily hat Angst. Sie ist durcheinander. Der Fall hat ihr mehr zugesetzt, als ich dachte. Sie braucht eine starke Schulter. Einen Freund. Oh, Mann. Was ist nur passiert?
Ich schweige eine Weile und sehe, dass Emily langsam schon gar nicht mehr weiß, wo oben und unten ist. Sie fängt an zu weinen, auch wenn sie es die ganze Zeit versucht zu unterbinden.
„Hör zu, Emily. Hör bitte zu. Erstmal möchte ich, dass du Frau Steinberg nicht mehr beleidigst, okay? Tust du mir den Gefallen?“

Kurz ist Stille angesagt und dann möchte Emily gehen. Na toll. So kommen wir auch nicht weiter. Aber ich lasse das diesmal nicht zu. Hier geht keiner. Hier und jetzt lege ich die Karten auf den Tisch. Es muss einfach sein. Selbst brauchte ich so lange, um mich zu sortieren, aber ich denke, dass ich hier langsam mal für Ruhe sorgen muss. Obwohl ich selbst so meine Probleme und Sorgen habe. Aber ich muss es tun. Also stelle ich mich einfach vor meine Exfrau.

Bis sie nur noch dasteht und weint. Jetzt ist wohl der richtige Moment, sie in den Arm zu nehmen.
„Emily, wir haben viel durch und ich habe dir bereits gesagt, dass ich dich nie allein lassen werde. Ich werde immer ein guter Freund sein, auch wenn wir jetzt eigentlich hätten glücklich sein müssen. Aber waren wir das wirklich noch? Du hast dich so verändert, seit das Tor zu ist.“
„Ich weiß, Marc. Ich habe Angst. Das war einfach zu viel für mich.“
„Alles gut. Alles gut. Wir reden heute Abend gemütlich am Lagerfeuer miteinander, okay? Versprichst du mir das?“
Ich drücke sie auch ganz fest an mich. Sie soll nicht das Gefühl haben, allein zu sein.

„Du liebst sie, oder? Sei ehrlich. Du liebst sie. Nein, ich nehme es dir nicht übel, wenn ja. Ich...hmpf.“
Emily macht eine längere Pause. Sie versucht sich gerade zusammenzureißen.
„Du. Äh. Also, wenn du sie liebst, dann, dann. Äh. Dann packt sie wohl gerade ihre Sachen und will gehen. Ich äh. Hmpf. Verdammt. Willst du nicht lieber hinterher?“
Mir geht es da wohl gerade wie meine Exfrau. Gefühle überrennen uns. Angst, Traurigkeit, Unsicherheit. All jene Gefühle, die auf einmal rauskommen wollen.

Eigentlich habe ich gerade auch nicht so richtig registriert, was sie mir vermitteln will. Ich schaue sie nur an und versuche erneut, für sie da zu sein.
„Emily. Was auch immer da zwischen uns passiert ist: Vielleicht ist es sogar besser, wenn jeder neu anfängt. So kommst du auf andere Gedanken und vielleicht lernst du einen Mann im Urlaub kennen, der dir viel mehr geben kann, als ich. Vielleicht, ähm. Vielleicht war ich einfach nur nicht der Richtige und ähm.“
Sie schaut mich nur an. Zwischendurch immer an mir vorbei. Immer im Wechsel.

„Ich denke, ich habe es verstanden, auch wenn es mir immer noch wehtut. Marc. Du bist so ein wundervoller Mann und ähm ..... aber deine Freundin da will immer noch abhauen.“
Ich sage ja: Emily ist wie eine Bombe. Plötzlich kann man sich kurz wieder mit ihr unterhalten, bis dann sämtliche Emotionen wieder explodieren. Und dann denke ich, dass jetzt alles wieder gut ist und auf einmal platzt sie wieder.

Doch dann checke ich, was mir Emily eigentlich die ganze Zeit sagen will.
„Was? Wo? Sie will gehen? Emily, hör zu. Das, was ich gleich mache, wird dir nicht gefallen, aber es muss sein, okay? Es tut mir leid. Wir reden heute Abend und das ist mir wichtig. Wir alle reden. Aber ... Hmpf .....“
Ich renne einfach los und möchte Frau Steinberg aufhalten. Plötzlich ist mir alles scheißegal. Alles, was ich die letzten Wochen und Monate zurückgehalten habe, muss ich hier und jetzt rauslassen, sonst platze ich bald.

„Gehen Sie bitte nicht. Es tut mir leid und irgendwie läuft das alles gerade nicht so, wie es laufen soll und Sulani sollte eigentlich alles andere sein.“
Sie bleibt zwar stehen, aber schaut mich nicht an.

„Es, ähm. Es ist in der letzten Zeit wirklich viel passiert und das alles zu sortieren, ist nicht leicht. Puh. Und dann kamen Sie in mein Leben, weil mein verrückter Sohn das jetzt so machen musste und ähm.“
Bis sie mich dann anschaut.

„Und, Sie sind so hübsch und so lieb. Witzig und wow. Nun ja. Hehe.“

„Also, wo ist jetzt das Problem? Ich mein, ich ....“
„Herr Duvan? Alles okay, bei Ihnen?“
„Jaaa, sehen Sie doch.“

„Okay, es reicht. Mir jetzt egal.“
Ich gehe auf Frau Steinberg zu und nehme ihr die Taschen ab, die sie noch in den Händen trägt. Diese stelle ich auf den Boden und schaue ihr schließlich tief in die Augen.
„Ich möchte nicht, dass du gehst.“

Ich gehe noch einen Schritt weiter auf sie zu und was ich jetzt mache, hätte ich nie gedacht, dass ich das mal einfach so machen würde. Aber ich muss diese Frau jetzt einfach küssen. Egal, wer uns jetzt sieht. Egal, wie sauer Emily ist. Egal, wie enttäuscht Joel vielleicht sein wird. Es muss endlich aufhören, dieses Versteckspiel.

Und es fühlt sich so wahnsinnig gut an. Ich komme gar nicht von ihren Lippen los. Was passiert gerade mit mir? Ich muss sie einfach immer weiter küssen.

Ich flüstere ihr zu:
„Also, bleibst du bei mir?“

„Äh, nun ja. Also, wenn du das mit deiner Exfrau klärst, dann vielleicht. Die Frau jagt einem echt Angst ein.“

„Mache ich.“
Schließlich komme ich wieder näher und flüstere:
„Bleibst du hier? Und wenn du willst, kannst du mich Marc nennen. Ich denke, dieses Frau-Steinberg-Ding lassen wir mal weg.“

Es ist gerade doch etwas gruselig. Nein, ich will Emily nicht die Schuld geben, aber mir ist schon früh aufgefallen, dass ich bei Emily immer verschlossener wurde. Seit ebendieses verdammte Tor zu ist. Das ist fast 18 Jahre her. Emily hatte mir immer die Schuld gegeben, dass ich total schüchtern wäre und sie gar nicht küssen will. Aber es war eher sie, die nie so richtig wollte. Und wenn sie zu mir in die Dusche gekrochen kam, dann war das eher so, als müsse sie das nun machen. Als ....hmmm. Ich kann das nicht beschreiben. Auf jeden Fall leuchtet mir so viel ein. Aber warum jetzt erst? Hätten wir unsere Ehe noch retten können, wenn ich für sie dagewesen wäre, als das Tor geschlossen wurde? Habe ich alles vermasselt? Verdammt. Nein. Es ist jetzt egal. Ich will nach vorn schauen und einfach nur glücklich sein. Mit dieser wunderbaren Traumfrau. Sie ist .... Sie tut mir so gut. Ich muss aufhören, zu grübeln.

Und so küsse ich Jennifer immer und immer wieder.

„Und du kannst mich gern Jenny nennen, hihi.“
Einer beobachtet uns jetzt ganz besonders. Tja, Emilio. Ich muss dir wohl danken. Zu klären gibt es trotzdem noch viel.

Nur nicht jetzt. Ich habe Hunger und lege mich erstmal kurz hin. Ich muss mich für heute Abend sortieren.